Die namenlose Religion
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- Veröffentlicht: 22. Mai 2012
Für diese Überlegung habe ich lange gebraucht, weil mir allen Ernstes bisher noch nie die Idee kam, dass der international anerkannte, irgendwie "offizielle" Name einer Religion zur Orientierung der Menschen wichtig ist. Erst im Gespräch bemerkte ich die zunehmende Unruhe in den Gedanken meines Gegenübers.
Die Erkenntnis überrollte mich wie eine Erleuchtung, weil mir klar wurde, was das besondere an unserer Religion ist und was sie von den anderen eindeutig unterscheidet: Sie ist nicht menschengemacht.
Okay, die Pointe habe ich jetzt vorweggenommen, aber wie ich dahin kam, ist auch ganz interessant. Die Geschichte beginnt, wie so oft, mit einem Gespräch zwischen mir und zwei gläubigen Menschen. Beides junge Männer, Akademiker, berufstätig, beide werden demnächst konfessionell heiraten, der eine katholisch, der andere muslimisch/marokkanisch.
Ich gehe eigentlich nicht hausieren mit meiner Religion, trage also keine Abzeichen oder Besen mit mir rum und dränge auch niemandem auf, mit mir "...über die Göttin zu reden, mkay?"
Eigentlich kommt es immer nur bei der Weihnachts-Urlaubsplanung zum Vorschein, weil ich die anderen überrasche, dass ich problemlos am 24.12. jedes Jahr arbeiten kann und will. Die trauen sich aber bisher nicht nachzufragen, sondern freuen sich nur über den fehlenden (total kindischen) Streit, wer denn nun zuerst den Urlaubsplan eingereicht hat.
Es ist mir wichtig, in diesem Absatz darauf hinzuweisen, dass ich nicht angefangen habe. Echt.
Christ: "Wann fängt denn jetzt euer Ramadan an?"
Muslim: "Wissen wir noch nicht."
Baumkuschler
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- Veröffentlicht: 23. April 2012
Mir ist beim Nachdenken etwas aufgefallen: Erstens, dass man viel zu wenig Zeit nutzt, um einfach mal nichts zu tun und nur nachzudenken und zweitens, dass wir Heiden nicht angreifbar sind. Betrachtet man die anderen Religionen, so fällt es leicht, einen Kritikpunkt zu finden bis hin zu der unerträglichen, unbeantworteten Frage aller Fragen: Wie kann es sein, dass sich Menschen gegenseitig im Namen eines fürsorglichen und liebenden Gottes töten und quälen?
Da wir Naturreligiösen wirklich nach der Maxime leben, dass wir nur dann glücklich werden, wenn wir niemandem schaden, sind wir rein moralisch auf der richtigen Seite. Interessanterweise nutzen die Anhänger der Weltreligionen trotzdem reflexartig jedes Klischee, um sich lustig zu machen. Die Beispiele, die mir einfallen, sind nicht viele und sie haben meistens mit Bäumen und/oder Lebkuchenhäusern zu tun. Das ist überschaubar und ich steige gerne darauf ein, beispielsweise: "Wenn ich ein kleines Mädchen neben einem Backofen stehen sehe, dann werde ich immer nervös..."
Was bin ich? Was will ich?
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- Veröffentlicht: 27. März 2012
Die Tage werden länger, es wird wärmer, die Vögel ziehen, hüpfen und singen. Ein Jahr voller Möglichkeiten liegt vor mir, ich fühle mich stark und frisch, es könnte losgehen. Ich betrete also entschlossen die Aschebahn 2012 und suche meinen Startblock. Der hinzugezogene Schiedsrichter läßt mich verzweifeln, weil er erst mal nach der Sportart fragt und ich stehe wieder unschlau mitten im Stadion des Jahreskreises rum und denke nach. Vielleicht sollte ich ganz am Anfang beginnen. Den Turnbeutel hatte ich ohnehin wieder einmal vergessen ...
Das F-Wort
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- Veröffentlicht: 27. Februar 2012
Die heidnische Ehefrau am Faschingsdienstag: "Morgen beginnt die Fastenzeit."
Der verwunderte, ebenso heidnische Ehemann: "Für uns auch?"
Frau: "Warum nicht? Das täte uns vielleicht gut?"
Mann (bockig): "Finde ich nicht."
Frau: "Findest du wohl. Das steht auch in der Tradition, denn die hatten früher ungefähr zu dieser Zeit nur noch die Notreserven bis zur ersten Ernte oder Jagd. Das ist nichts speziell christliches."
Der Ahne in uns
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- Veröffentlicht: 17. Februar 2012
"Wohin gehen die toten Hexen?"
"Moment, ich frage mal nach."
Ich unterbreche den theologischen Diskurs mit meinem Kinde und betrete die Zwischenwelt.
Tea-Party der Oberhexen
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- Veröffentlicht: 15. Februar 2012
Meine erste Reaktion war: „Wow, die sind ja sauer! War ich das?“ Den Vorgang musste ich erst einmal eine Woche ruhen lassen, um mir zu überlegen, wie ich darauf reagieren soll…
Man stelle sich vor: Eine Online-Zeitung für Heiden greift einen Artikel von mir auf, in dem es darum geht, dass viele Hexen in Deutschland sich damit abfinden, nichts zu tun, außer ihren eigenen Wohlfühl-Bereich und ihr Image zu pflegen, wohingegen überall sonst in der Welt (vor allem in den USA) die heidnische Bewegung als eben solche hervortritt. Dort wird sich gemeinsam gekümmert durch die Organisation von groß angelegten Cons, Strassenfesten, Seelsorge- und politischer Arbeit, um aus der belächelten Randzone zu entkommen und unsere Religion nicht nur für Geheimniskrämer und extreme Individualisten zugängig zu machen. Und ich finde eben, dass es an der Zeit ist, dass wir so etwas auch tun.
Schöner leben mit dem Spanischen Hofzeremoniell
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- Veröffentlicht: 27. Januar 2012
Ich wurde in Österreich aufgezogen. Auf österreichische Art und Weise, spezialisiert auf Überleben am Wiener Hof. Es scheint so, dass es unter den Eltern damals weniger Sorge gab, ob das Kind denn rechtzeitig trocken sei oder entwickelt genug, sondern vielmehr, dass es zum rechten Zeitpunkt der richtigen Person auf die korrekte Art und Weise die Hand geben kann (oder eben nicht, falls nicht angemessen). Damals haben wir natürlich diese Dressur gehasst, aber, um ehrlich zu sein, heute denke ich, dass es mir sehr viel gebracht hat.
Zum Grübeln gekommen bin ich in diesem Zusammenhang beim Gespräch mit einer Kollegin, die lange Zeit im fernen Ausland arbeitete und erzählte, wie unterschiedlich doch die einzelnen Regeln sind und wie befremdlich sie es fand, dass Frauen nie direkt angesprochen werden, sondern immer erst der Mann, der quasi erlauben muss, dass die Damen auch reden dürfen. Das fand sie nicht in Ordnung.
Solidarität
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- Veröffentlicht: 13. Januar 2012
In unserer Stadt gibt es ein bemerkenswertes Phänomen. Ein selten zu beobachtendes obendrein. Wie Reinhard Mey dereinst sang: „Das oberste Menschenverstandskommando gibt bekannt: Vernunft breitet sich aus über die Bundesrepublik Deutschland!“
Solidarität finde ich gut. Wie ich immer sage: Wenn sich alle Menschen guten Willens zusammentäten, hätten die wenigen Fieslinge keine Chance mehr. Uns hindert ja nur die Angst daran, es zu tun. In Deutschland ist es nicht die Angst um körperliche Unversehrtheit, sondern die Furcht, Eigentum zu verlieren.
Die Wirtschaft hat uns dermaßen mit Krediten für Heimkinos, Smartphones und Riesterrenten sediert, dass wir uns alles gefallen lassen, um bloß nichts davon zu verlieren.
Beschweren tun sich immer nur diejenigen, die eh nichts haben, also vor allem junge Menschen ohne Arbeit und Familie, und die werden nicht ernst genommen. (Das hat nur ein einziges Mal, im Fall Zwentendorf, funktioniert.)