Nach dem Krieg* hatten die Deutschen 13 Millionen Flüchtlinge aufgenommen.

Ja, das war's eigentlich. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Aber nur um der Welt klar zu machen, wieso ich diesen Satz un-ge-mein faszinierend finde, hier die Aufdröselung:

1. Nach dem Krieg

Wir hatten ja wirklich gar nichts mehr. Häuser waren kaputt, Wirtschaft von Spenden abhängig, Essen nur wenig. Alle jungen starken und/oder klugen Männer sind an der Front oder in Lagern für das Vaterland verreckt. Politiker, Lehrer und Richter waren doch fast alles hasserfüllte Nazi-Revanchisten oder Opportunisten.

Wenn man jetzt in so einer fiesen Situation noch ein wenig Rest an Lebensfreude behalten hat, dann will man doch seine 1-Zimmerwaschküche nicht auch noch mit einer vielköpfigen Flüchtlingsfamilie teilen! Haben aber viele gemacht.

2. hatten die Deutschen

Jaha, ich weiss: fast alle wurden gezwungen.
Aber ich will sagen: Es ging! Irgendwie...

Es gab so viele zerstörte Familien, gebrochene Menschen, in der Luft hängende Existenzen (kein Geld, kein Job, keine Ahnung, wie es weiter geht) und trotzdem haben sie die Menschen aus dem Osten (für die ganz jungen: der Osten begann damals noch östlich von Görlitz und Wien) und die notleidenden Westler aufgenommen.

Möglich gemacht hat das eine Solidargemeinschaft der ganzen Welt. Nicht nur wurde dem deutschen Volk, das eben noch alle unwerten Menschen töten wollte, geholfen. Es wurde so schnell wieder eingegliedert in den Völkerbund, dass wir Probleme hatten, Politiker zu finden, die nicht Verträge mit jemandem schließen mussten, den sie persönlich noch für medizinische Experimente freigeben wollten.

Das ist doch fast schon unheimlich. Ich wäre total sauer auf ALLE Deutschen gewesen.

(Ach ja und für die Akten: Auch Griechenland hat dem Schuldenschnitt für Deutschland zugestimmt ... ich sag ja nur.)

3. 13 Millionen

Das sind verdammt viele. Wir kämpfen momentan mit noch nicht einmal 300.000 Flüchtlingen pro Jahr. Das ist hauptsächlich dem Umstand geschuldet, dass wir alle Bedürftigen in ein Nachbarland abschieben können. Zum ersten Mal müssen wir froh sein, dass wir den Krieg verloren haben, denn jetzt gibt es mehr Umland, das die Asylsuchenden aufhalten kann. Harr.

Die Zelt- und Containerindustrie boomt! Juhu! Ein islamisches Plumpsklo, eine Wand für Fotos und schon hat er dankbar zu sein, der Übergangsdeutsche! Hauptsache, er bleibt nicht und atmet die Luft weg oder hat Langeweile und überlegt, wie er zu einem menschenwürdigen Leben kommen könnte. Das sollen die doch bitte woanders machen. Sooo viele Zelte haben wir auch wieder nicht. Die sind auch teuer. Statt 100.000 Unterkünften können wir auch gerne einen Eurofighter finanzieren. Da sind die Prioritäten doch klar, oder?

4. Flüchtlinge aufgenommen

Einfach so. Die standen vor der Tür, man sagte Hallo und guckte, was da vor einem steht. Wie gesagt waren alle Intellektuellen, Künstler ... die netten Passiven halt, alle geflohen oder tot. Da hätte ich schon mal Angst gehabt.

So. Und hier kommt aber die Geschichte meiner Familie hinzu: Mein Großvater war im Krieg zum xten Mal verletzt, meine Oma wurde gezwungen mit zwei Koffern, zwei kleinen Kindern und maximal 20 kg Gepäck aus Zwittau zu fliehen. Sie waren ursprünglich eigentlich gute Menschen, sind halt vor dem Krieg vom Schwung, der Euphorie, mitgerissen worden und haben sich für die NSDAP begeistert. Meine Oma sagt: so war das eben. Sie ist übrigens auch immer die erste, die sagt: "Ständig meckern alle, aber sollten doch bitte bedenken, dass wir den Krieg verloren haben. Wir haben bedingungslos kapituliert! Natürlich hören uns die Amerikaner ab, wann immer es ihnen gefällt." Und dann rollt sie mit den Augen, wie es nur 100jährige können, die alles gesehen haben.

Meine Oma kam 1000 km weiter westlich in Tirol unter und wartete, mit zwei Kindern im Anschlag, auf den Heimkehrer. Der hatte schon wieder Glück und schaffte es. Sie kamen unter bei einer "Baronesse", der mein Opa als Stallwärter diente, mit der er aber oft erbittert stritt.

Sie kamen weiter ... und weiter ... und schafften es, eine bemerkenswerte Existenz zu gründen und heute glücklich zu leben.

Sie hatten Glück. Es wurde ihnen geholfen. Sie und ihr gesamter Stammbaum wurde zu einem gesetzestreuen Rudel von steuerzahlenden akademischen Deutschen.
(Ausser ich. Hüstel...)(Ähm ... ich meine das mit dem Akademiker)

Meine Familie wäre am Arsch gewesen, wenn uns nicht immer irgendwer geholfen hätte. Und in diesem Zusammenhang würde sogar meine Oma das Wort benutzen.

Und was machen wir heute?

Da klopfen Flüchtlinge an unsere Tür und wir überlegen uns, wie wir die Gesetze einrichten können, um möglichst viele von "denen" zu vermeiden. Das ist peinlicher und beschämender als jede Schmiererei an Asylunterkünften. Denn unsere Politiker zerstören jeden Tag Existenzen, Familien und damit auch die Zukunft von Deutschland. Nur um ein paar Wählerstimmen zu sichern!?

Die Flüchtlinge wollen hier wohnen, sie sind oft gut ausgebildet, lernwillig und gäben alles für eine Chance. Diese Chance könnten wir ihnen geben, ohne auch nur auf IRGENDetwas verzichten zu müssen. Wir wollen einfach nur nicht.
Da klopfen gute Menschen an unsere Tür, die von Arschlöchern vertrieben worden sind. Und wir sind nicht bereit unsere eigene Arschlochdichte etwas zu verdünnen, weil ...... um ehrlich zu sein, ich weiss nicht, warum.

Gerade die christlichen Parteien liefern sich einen Wettstreit darum, wie kunstvoll man Flüchtlinge vermeiden, anderen aufdrängen kann und auch sonst hauptsächlich viel sparen kann. Jesus wäre entsetzt! Noch nie war die Moretei der angeblich zu verteidigenden christlichen Werte peinlicher! Ich bin mir sicher, dass Merkel, Seehofer und die anderen das auch wissen, aber ihre Gier nach Macht und Geld ist einfach größer als der Druck der Nächstenliebe. Ich hoffe, manchmal schämen die sich.

 

Diesen Aufsatz habe ich schon seit Wochen im Kopf und wollte abwarten, wie ich ihn rüberbringe, je nach der Entwicklung. Immerhin gibt es auch ganz großartige deutsche Mitbürger, die Flüchtlinge aufnehmen und unentgeltlich versorgen. Danke dafür.

Aber wie immer muss ich mir die Frage stellen: Wieso eigentlich nicht ich? Wieso tu ich nix? Ausser mich beschweren.
Die Antwort ist: Es passt halt gerade nicht in unser Lebenskonzept. Wir haben alle Hände voll zu tun mit Arbeit-Kindern-Haushalt-Internet.
Ich gebe zu: So lange mich keiner zwingt, werde ich auch keine Flüchtlinge aufnehmen. Ich habe die selbe billige Meinung wie alle Deutschen: "Soll sich doch der Staat drum kümmern. Ich zahl dem genug Steuern." Macht der Staat aber nicht. Der hat doch Verpflichtungen gegenüber Konzernchefs und Banken und so ...

Und dann hat mein Sohn bei unserem letzten Gespräch über die Flüchtlingsthematik gesagt: "Aber ich will nicht, dass hier bei uns Syrer wohnen!" Und da habe ich mir gedacht, dass ich doch ir-gend-et-was falsch gemacht habe. Kein schönes Gefühl.

 

 

*Jemand hatte mal gesagt, dass wir Deutschen so gut organisiert sind, dass wir sogar unsere Weltkriege nummerieren. Daran muss ich oft denken, wenn ich Behördenkontakt habe.