Tiffany: „That’s not real magic! You are just helping people who are too lazy to help themselves!“
Miss Level: “Most of the time, witchcraft is very similar to plain work.”

Stöbert man im Internet zum Thema Hexen, dann findet man fast nur Zeugs, für das ich mich fremdschämen muss. Es ist überwiegend von Magie und Mystik, Ritualen und käuflichem Zubehör, Geistern, Energien und Geheimnissen die Rede.

Es geht doch eigentlich um eine Religion, das heisst die Beschäftigung mit Dingen, die nicht leicht oder auch gar nicht greifbar sind. Menschen möchten ihr Seelenheil dieser Religion anvertrauen und erwarten von denen, die viel Erfahrung in dem Bereich haben, auch seriös bedient zu werden.
Einem Priester möchte man vertrauen können, nicht nur müssen.

In Zeiten der Not (also immer dann, wenn das Bedürfnis nach religiösen Feelings am größten ist) muss der Priester genau die Hilfe bieten, die erwartet wird. Ein Anlaufpunkt, ein sicherer Fels in der Brandung für alle, die ihn brauchen.
(Nicht nur für die, die zahlen, nicht nur für die Mitglieder des eigenen Covens!)

Aber mal ganz ehrlich? Wir benehmen uns realitätsfremder als die Besucher einer StarTrek-Convention.

Und das ist nicht nur meine Meinung:

“If Pagans want Paganism to be a party where they get drunk around a bonfire wearing goth clothes and exchanging stories about their ever-so-vast powers, that's fine. But we have no right to call ourselves clergy when we do that. We are not ministering to our people. We need to admit that we might be mystics and historians, but that does not qualify us to lead a congregation.” (mehr…)
Heather Deirdre Awen

“I have had my experiences with grand poo bah high priestess, their online temples of the sacred stars and twinkles. I myself have been warmly invited into a group, then attacked, chastised and ridiculed for having an opinion. [...]
… we were talking about Pagan clergy and someone said she had a problem with us using [christian] terms and titles, like priest, reverend and chaplain. She said that it took away from the "mystique" of our path. To which I feverishly disagreed. I use congregation instead of coven, and religious service instead of ritual. Am I lying? No, I'm just using words they're more comfortable with. But more importantly I have a serious problem with the need, use and emphasis of Mystique in any religious form of Paganism. Mystique is a substitute for substance! The more smoke and mirrors, robes and titles you need to be a high priest the less you have to offer as clergy.” (mehr…)
Joseph Merlin Nichter

“Taking up the name of seeker, acolyte/dedicant, witch (solitary or coven member), teacher, priest-ess, high priest-ess, witch queen/magus, etc....all of these things increase the amount of responsibility. It is a stewardship, not a reward to be considered one level versus the next, and it makes no sense to "fast track" yourself just because you want to be known as one level or another among your buddies. [...]
Being a witch, whether solitary or in a coven, is no easy thing. It is wholly unlike most other religious persuasions (certainly the Western ones anyway) in that we are not separated into a smaller, active clergy who group who cater and minister to a mostly passive and accepting layperson group of followers of the agreed upon religious tenets. In Witchcraft, every one who has earned the title of Witch, whether by their own singular efforts or through mentorship with a particular style of the Craft, understands that they are ultimately responsible for themselves.
A common problem I see in the "pagan community" today is that folks who are interested in the Craft skip the important seeker/acolyte step and try to jump head-long into being a Witch. They might read a few books, see some documentaries and say "Hey, yeah, this witchery stuff 'speaks to me' and 'rings true' to me so I must be a Witch…” (mehr…)
Albiana

Ich zitiere leider aus dem Englischen, weil die Hexenblog-Kultur bedauerlicherweise in Deutschland nicht das selbe Niveau hat, sondern mehr einem Mittelaltermarkt gleicht.

Dass man sich mit der Hexenkunst auch ernsthaft beschäftigen kann und muss (wie Albiana richtig anmerkt) ist eine Erkenntnis, die ich gar nicht dringlich genug in euer Bewusstsein drücken möchte.

Die Stichworte sind:

Responsibility: Die Verantwortung
Clergy: Der Geistliche
Congregation: Die Gemeinde

All jenen, die sich das Stichwort „Hexe“ in ihren Internetauftritt aufgeklebt haben, nur um aufregender zu wirken, kann ich nur raten, davon Abstand zu nehmen, damit sie nicht als Scharlatane dastehen, bzw. ernsthaft Suchende nicht auf die falsche Fährte zu führen. (Ich lege sogar noch ein "Bitte" oben drauf: Bitte!)

Die oben von mir zitierten amerikanischen Blogs sagen eigentlich viel besser, als ich es jetzt noch könnte, wo die Wurzel allen Übels liegt, aber für diejenigen, die nur Deutsch sprechen, hier die Zusammenfassung:

  • Eine Hexe zu sein, heisst nicht, dass man Mitglied in einem Kostümverein geworden ist.
  • Es ist kein Rollenspiel, wo man jederzeit in eine „andere“ Realität zurückkehrt.
  • Will man einen Priester/Geistlichen darstellen, erfordert das eine Ausbildung.
    (Die nächsten Sätze schreie ich übrigens laut heraus, bitte vorstellen)
    Und damit meine ich KEINE Ausbildung wie z.B. Tarot, Runen, Mandalas, Homöopathie, Aura, Tantra-Sex, Spinnen oder Perlenbinden. Sondern alles was mit Medizin, Biologie und Psychologie, von mir aus auch Theologie zu tun hat.
  • Eine Hexe hat eine Aufgabe und viel Verantwortung. Wer keine Aufgabe und Verantwortung auf seinem Weg sieht, ist keine Hexe sondern ein Hippie oder ein Schüler. Das ist nichts Schlechtes, nur etwas anderes.

Denn der ausschlaggebende Punkt ist die Erwartungshaltung der Gesellschaft. Momentan bekommt sie alle Klischées geliefert, sobald das Thema Hexerei aufkommt. Wenn wir es nicht schaffen, das Bild der belächelten Spinner aus dem Kopf der Öffentlichkeit zu bekommen, dann brauchen wir uns auch nicht wundern, dass Hexen keine Seelsorger werden können. Als Arzt würde ich auch niemanden zum Patienten lassen, der aussieht, als käme er vom HerrnderRinge-Marathongucken und ein verzweifeltes Mädchen täte sich nie an die Hotline wenden, wenn ihr dann feinfühlig weisgemacht würde, sie wäre nur deshalb vergewaltigt worden, weil sie in einem früheren Leben auch jemanden geschändet hat.

Zusammenfassung: Hexen brauchen mehr Sozialkompetenz und kein Rollenspiel. Leider geht die Tendenz in die falsche Richtung und ich werde mich auch weiterhin in allen Regenbogenfarben fremdschämen und seitenweise Rechtfertigungen schreiben müssen.

Vielleicht aber schafft es die Generation unserer Kinder, diesen albernen Hühnerhaufen zu verlassen und ernsthafte Hexen zu werden, die die Gesellschaft ehrt und respektiert.