- Details
- Veröffentlicht: 20. April 2015
Den zehnten Geburtstag meines Sohnes haben wir im Museum verbracht. Er wünschte sich einen Themengeburtstag. Wir entschieden uns für Wikinger. Das hatten wir noch nicht.
Sich mit sechs aufgeweckten, hibbeligen Kindern im öffentlichen Raum zu bewegen ist schon eine Herausforderung. Bis dato hat das gut geklappt, vorausgesetzt man überschreitet nicht die 3:1 Regel, das heisst, dass auf drei Kinder ein Erwachsener kommen muss, dann kann man zwei festhalten, während man den dritten zur Räson ruft.
Andererseits fürchte ich jetzt, dass mit zehn Jahren ein Alter beginnt, in dem vor allem Jungs sich nicht mehr durch Neues begeistern lassen, wenn es nicht gerade digital oder blutrünstig ist. Die haben alle schon zu viel Fernsehen und Computer hinter sich. Selbst wenn man zu Hause drauf achtet, bekommen sie es irgendwie über Freunde alles mit.
Und mir persönlich ist es lieber, wenn sie wissen, worum es geht und wir mit Ihnen darüber fundiert reden können. Auch die Kindernachrichten behandeln die Themen: Tod, Terror, Katastrophen und pädophile Politiker.
Wenn man die Kids mit dem Halbwissen plus Schulhofgeschwätz ("Ey, Deine Mutter ist schwul!" - "Und Deine ist Jude!") alleine läßt, dann endet das nicht gut.
Im Museum für Geschichte war es an dem Tag total leer, aber der kostümierte Instruktor hatte dadurch viel Raum, sich mit den Kindern zu beschäftigen. Er ist daran fast verzweifelt, denn ausser Dingen in Schaukästen, die Geräusche machen und Waffen waren sie nur schwer zu begeistern und sind ständig in alle Richtungen abgehauen. Nicht einmal Zinngießen und Feuermachen war so faszinierend, wie wir erwartet hatten.
Am Ende waren alle sogar sauer, weil sie zu Hause nicht Playstation "zocken" durften. Schade, aber so ist der Lauf der Dinge.
Zwischendurch fragte mein Sohn, auf einen verrosteten Gegenstand zeigend: "Was ist das?"
Der schon etwas genervte Führer sagte: "Das ist die Axt mit der die Bäume der Germanen gefällt wurden."
*Augenbraue*
"Echt? Darf ich mal halten?"
Das durfte er kurz und alle anderen wollten auch. Ich witterte schon ein Massaker, aber wir hatten Glück. Der Führer erzählte die Geschichte, wie die Christen mittels Fällung der heiligen Bäume beweisen wollten, dass es keinen Odin gibt und ich konnte nicht anders, als dazwischen zu fragen (weil ich wissen wollte, wie er reagiert), warum die Heiden dann nicht die Kirchen angezündet haben, um die Sache mit Jehowa zu überprüfen?
Das fanden die Kinder allesamt lustig, ich auch, aber der Museumsmitarbeiter meinte: "Das darf man doch nicht machen!" und sah mich empört an. Ich zuckte mit den Schultern. Vor den Kindern wollte ich keine Diskussion über Gewalt und Gegengewalt.
Das Thema ist aber aktueller denn je. Ein Freund von mir hat Unterschriften gesammelt und Veranstaltungen organisiert um darauf hinzuweisen, wie geschmacklos das "Denkmal" in Fritzlar ist. Dort wurde erst vor 25 Jahren eine Plastik errichtet, die zeigt, wie ein stolzer Möch mit Axt in der Hand am Baumstumpf steht. Unserer Meinung nach muss das Ding weg, aber Minimum ist eine Gedenktafel und das Ziel werden die Veranstalter der Gegenbewegung wohl erreichen.
Ich gehe ja auch nicht nach Norwegen und errichte Statuen zu Ehren der Metal-Musiker, die vor ein paar Jahren reihenweise Kirchen angezündet haben, auch wenn ich dazu Lust hätte.
Nachsatz: Dass die selben christlichen Fundamentalisten sich empören, wenn Islamisten nicht-islamische Kunst vernichten, ist ja wohl die größte Heuchelei. Wären sie ehrlich, müssten die Vertreter des Vereins, der 1000 Jahre kulturelle Dunkelheit über Europa brachte, sagen: "Schön ist es nicht, aber verstehen tun wir's ..."