Es ist erstaunlich, wie hilflos manche Profis sind, wenn es darum geht, Ihren Beruf auszuüben. Meine Leser werden es kaum glauben, aber auch ich kann nicht alles und konsultiere manchmal andere Menschen, von denen ich annehmen darf, dass sie mir helfen können.

Ich weiß wirklich nicht, ob ich dann mehr genervt oder belustigt bin, wenn diese Fragen stellen à la: „Wie hätten Sie es denn gerne?“

[kicher]
[Ja bitte?]
[nichts … hihihi]
[Jetzt sag bloß, Dir fällt dazu ein Witz ein?]
[mir fällt spontan ein bestimmtes gewerbe ein]
[Ihr wisst davon?]
[wir wissen alles]
[Dann weißt Du bestimmt auch, dass ich das nicht gemeint habe?]
[ja klar. ich habe auch gar nichts gesagt! was willst du jetzt eigentlich?]
[Ich schreib mal weiter.]

Ich gehe manchmal zum Friseur. Das ist ein ehrwürdiger Lehrberuf, schlecht bezahlt zwar, wie alle Frauenjobs in unserer angeblich gleichgestellten Gesellschaft, aber mit jahrelanger Ausbildung. Und dann wundere ich mich schon, dass diese ExpertInnen vollkommen hilflos mit den Schultern zucken, wenn ich ihre Frage beantworte mit: „Machen Sie was Hübsches draus.“

Sie fragt nach, wo und wie und ob hier noch oder da noch und ich habe echt einfach keinen Schimmer, denn wie das in trocken aussehen wird, weiß ich doch nicht. Während sie mit der einen Hand noch hilflos durch die Strähnen fährt und mit der anderen testweise durch die Luft schnibbelt, sage ich schnell etwas entsetzlich peinliches wie: „Machen Sie’s so, dass ich aussehe wie [insert-gorgeous-actor]”. Das wirkt dann zwar, als wäre man eine gestörte Pissnelke ohne Selbstwertgefühl, die dem Trend hinterherhechelt, aber bevor der hilflose Mensch hinter mir macht, was er will, beisst man sich lieber ins Ego.

Unnötig zu erwähnen, dass das dann trotzdem immer aussieht wie man es niemals hätte haben wollen. Aber ich habe mich noch nie getraut, die Wahrheit zu sagen, wenn die mit dem runden Spiegelchen kamen und den verstuften, mit Wirbeln versehen Verschnitt auch noch stolz von hinten präsentierten. Ein kurzes „schön“ mit zusammengebissenen Zähnen, schnell noch einen Stundenlohn für 10 Minuten Arbeit geblecht und dann nix wie nach Hause, damit auch noch die Frau kurz ihren Spaß daran haben kann mit der Frage: „Ist sie schon fertig damit?“

Besonders wundert mich die Hilflosigkeit der Ärzte. Freunde und Familienmitglieder gehen haufenweise zum Psychiater, um sich auf einen sozialkompatibleren Kurs lenken zu lassen. Anhand der Besuchsberichte war ich entsetzt über die einfallslosen Diagnosen und begann, ein Projekt zu planen, um zu beweisen, dass es reicht, acht Sätze auswendig zu können, um damit, ohne Aufzufallen, als Psychiater durchzugehen. Die da wären:

  1. „Sie müssen mehr an sich arbeiten.“
  2. „Sie müssen aufhören, das zu verarbeiten.“
  3. „Wir müssen nach den Wurzeln des Problems suchen.“
  4. „Sie müssen die Schuld bei sich selber suchen.“
  5. „Hören Sie auf, sich selbst die Schuld an Ihrer Misere zu geben.“
  6. „Denken Sie an …“
  7. „Denken Sie nicht an …“
  8. „Die Mutter ist schuld.“

Bei einer Heilungsquote von unter 30%, die wiederum auf Selbstheilung zurückzuführen ist, ist das meiner Meinung nach äußerst unseriöse Scharlatanerie. Ich würde mich lieber mit einem pädophilen Holocaustleugner unterhalten, als mit einem Psychiater, denn bei ersterem, weiß ich wenigstens, woran ich bin.

Unlängst hatte ich eine Studie gelesen, dass E-Mail-Sitzungen, bzw messengen mit Psychiatern sogar mehr Erfolg brachten, als direkter Kontakt, das wäre doch eine Marktlücke für Telephonhotlines mit Robotern dahinter.

Was mich aber eigentlich auf das Thema brachte, war die Aussage meines Hausarztes, den ich am frühen Montag konsultieren musste. Ich wollte von ihm wissen, ob meine Symptome, nach einem heftigen Wochenende voller Schmerzen, die Menschen um mich herum gefährden könnten und ob und wie lange ich zu Hause bleiben solle.

Er griff sich einen Blanko-Krankenschein, zückte seinen Kuli, schaute mich über den Brillenrand hinweg an und fragte: „Was kann ich Ihnen denn Gutes tun?“ - „Heilen Sie mich.“

Er lachte ob dieser absurden Antwort und sagte:

„Ich kann Sie höchstens ein paar Tage zu Hause lassen. Wie lange wollen Sie denn?“
„Wie ‚wollen‘? Wie lange muss ich denn?“
„Ein paar Tage wären gut.“
„Nun, ich muss Urlaubsvertretung machen. Spätestens Mittwoch muss ich im Büro sein … wenn Sie es vertreten können.“
„Mittwoch dieser Woche?“
„Na klar?!“
„Ok.“
„Außer Sie sagen, dass ich dann noch eine Gefahr für mich oder andere bin.“
„Ach nein, das ist in Ordnung.“
„Aha.“

Was rausgekommen ist vom Blutdruckmessen und Abhören, weiß ich auch nicht. Aber er hat noch ein wenig über die Pharmaindustrie gelästert, womit er bei mir den richtigen Ansprechpartner gefunden hat und dann bin ich auch schon raus in den „gelben“ Urlaub. Das hätte ich auch gekonnt.

Anmerkung am Rande: das Fernsehprogramm tagsüber ist entsetzlich schlecht. Ich weiß echt nicht, warum die anderen immer so oft krank sind. Das ist doch todlangweilig.

[was ist langweilig?]
[Das Gefühl, seine Zeit zu verschwenden und eigentlich etwas anderes tun zu können.]
[warum macht ihr dann nichts anderes?]
[Manchmal aus Notwendigkeit, dann wieder aus Faulheit.]
[davon habe ich schon viel gehört, was ist das denn wieder?]
[Die Unlust, etwas zu verändern.]
[ihr lebt gerade mal 70 Jahre und habt oft das gefühl etwas anderes machen zu müssen, wollt aber nicht?]
[Ich glaube, das hilft uns, nachzudenken, was wir als nächstes tun sollten. Gerade weil wir so wenig Zeit haben, müssen wir manchmal innehalten und uns zur Langeweile zwingen. Viele menschliche Fehler entstehen dadurch, dass zu schnell irgendwas gemacht wird.]
[das ist gar nicht so dumm …]

Ach ja, und noch eine schöne Anekdote zum Thema Profis in unserer schnelllebigen Dienstleistungsgesellschaft:

Ich sitze in einem als „Café“ ausgezeichneten Geschäft und bestelle bei der jungen Tassenschubse einen Milchkaffee. Sie zwingt mich mit einer Gegenfrage, von meiner Lektüre aufzusehen:

„Milchkaffee haben wir nicht, darf es etwas anderes sein?“

Ich sehe hoch, gehe blitzschnell meine Notfallcheckliste durch (Wer bin ich, wo bin ich und wann?), stelle erleichtert fest, dass alles in Ordnung zu sein scheint und frage zurück:

„Wieso denn nicht, das ist doch ein Kaffeehaus?“
„Ja schon, wir haben aber nur Latte Macchiato, Cappuccino oder Espresso.“
„Keinen Milchkaffee?“
„Nein, leider.“ Sie lächelt mitleidig.
„Haben Sie Kaffee, schwarz?“
„Ja, das haben wir.“
„Haben Sie Milch?“
„Ja, das auch.“
„Schütten Sie beides im Verhältnis 2:1 zusammen, dann haben Sie Milchkaffee!“

Ich strahle sie an, im Bewusstsein, gerade eine neue Geschäftsidee vermittelt zu haben. Sie schüttelt den Kopf.

„Das kann ich so leider nicht in die Kasse eingeben.“

Ich gebe auf.

„Ich nehme einen Cappuccino, aber ohne Schaum.“
„Geht klar.“