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- Veröffentlicht: 04. Mai 2009
Wir waren über Beltane mal ganz unesoterisch unterwegs.
Die Kinder sind jetzt langsam alt genug, um ihr erstes Festival mitzumachen, deswegen sind wir ins Saarland zum „Hexentanz“ gefahren. Mit Zelt, Schlafsäcken, Grill und Ohrenschützern, was man halt so braucht, um in der Wildnis des deutschen Hinterlandes zu überleben. Für uns Erwachsene war das zwar mehr ein Fitnesstraining, weil wir die wild rockenden Babies ständig auf den Schultern tragen durften, aber schon weil die anderen Leute sehr rücksichtsvoll und freundlich auf die Metalzwerge und deren Sklaven (aka „Eltern“) reagiert haben und weil das Wetter perfekt war, können wir auf ein gelungenes Wochenende zurückblicken.
Ich hätte zwar gerne nochmal wie früher die Nächte durchgefeiert und in der Meute der Bierseligen ein paar Kontakte geknüpft, aber um 22 Uhr im Bett zu sein ist angenehm, was den Morgen danach in einem sonnendurchfluteten Zelt betrifft.Der hochansteckende, gemeine Hirnzellenfraß, ein Parasit, der sich bevorzugt in feuchten, lauten und dicht bevölkerten Regionen ausbreitet, hat mich dieses mal verschont, vielleicht habe ich aber gerade deswegen Erinnerung an ein paar surreale Ereignisse, die früher so nicht vorgekommen sind.
Hexen erkennen sich zumeist sehr schnell, wenn sie sich in der Öffentlichkeit begegnen, wieso, weiß ich nicht, vielleicht an der Aura. Mir selber stand zusätzlich noch jahrzehntelang „Opfer“ auf die Stirn geschrieben, weil die Gauner meine positive Einstellung, was Vertrauensvorschuss betrifft, auf Meilen hin riechen konnten. Ich finde eine misanthropische Grundeinstellung einfach hinderlich. So hatte ich bei Prüfungen, Vorstellungsgesprächen und im Umgang mit der Polizei zwar immer gute Karten, aber es lockte gleichzeitig immer Bauernfänger an, wie zB die Greenpeace- und Tierschutzabzocker, die auf den Straßen um Geld für ihren aufgeblähten Verwaltungsapparat betteln und leider eben auch Betrüger.
Irgendwann fand ich heraus, welche Magie man benutzen muss, um davon verschont zu bleiben: Tief unten in der Bauchgegend, im Schwerpunkt, ist unsere Zentrale (nicht im Gehirn, wie viele glauben). Diese kontrolliert die Verteilung der Energie und hält Kontakt zu unserem Avatar in der Anderswelt. Ähnlich einem Computerprogramm kann man hier Einstellungen vornehmen. (Ähnlich einem Computerprogramm ist der Menüpunkt nicht immer leicht zu finden…)
Hat man die Zentrale erst mal lokalisiert und gelernt, zu konfigurieren, bieten sich vielfältige Möglichkeiten. Um es möglichst anschaulich zu beschreiben: Man kann sein Erscheinen im Kontext des Energiestromes, in dem wir ständig fließen, manipulieren. Sich unscheinbar machen, böse, lieb, harmlos, konzentriert, etc. Für sportliche Leistungen ist es relevant, bei Gleichgewichtsübungen, Höchstleistungen, usw. Ich kann damit auch Schluckauf wegzaubern. Es ist ein sehr mächtiges Tool, mit dem man vorsichtig umgehen sollte. Den „Ja, bitte?“-Schalter verstellte ich dereinst auf „Hau ab.“ und war über Nacht frei von Belästigungen aller Art.
Deshalb hat es mich gewundert, dass mehrmals auf dem besagten Festival jemand auf mich zukam, um etwas zu erfragen, vor allem immer bezüglich haarsträubender Dinge. Ich kaufte mir gerade eine Bratwurst und setzte mich in den Schatten, während der Rest der Familie den Stand für Holzschwerter und Armbrüste durchwühlte, da kam vom anderen Ende des Platzes ein offenbar verwirrter, aber nüchtern wirkender Junge auf mich zu und fragte, ob ich Shisha-Kohle habe. Ich blickte an mir hinunter, sah kein Gepäck, außer Sonnenbrillenetui und Portemonnaie, guckte noch mal links und rechts und nach oben, ob ich unter einem Schild sitze, wo so etwas ausgezeichnet ist, aber es gab keinen Anhaltspunkt, wieso er gerade mich auswählte. Da erblickte ich ganz hinten am anderen Ende des Platzes, wo der Kerl eh herkam, einen Stand mit orientalischen Wasserpfeifen und sagte: „Ich habe zufällig gerade keine dabei, aber probier es mal da hinten.“ Er bedankte sich und ging. Dort kaufte er, was er brauchte und zog ab. Ich aß ein klein wenig verwirrt meine Wurst auf.
Am Abend beobachtete ich meine Kinder, wie sie mit ihren frisch erworbenen Waffen hinter etwas größeren Kids mit noch größeren Äxten herliefen (in der Beziehung sind meine Nachkommen auf dem Intelligenzniveau einer Horde Schwarzorks), als wieder von ganz jenseits des Spielplatzes zwei hippe Hopper mit blöden Mützen und mittels Hosenbund zusammengeknoteten Knien auf mich zukamen, breit grinsend. Ich überlegte mir schon entspannt, ob ich nicht doch noch ein paar Gramm von irgendwas kaufen wollte, da bauten die sich vor mir auf, jeder mit einem Humpen Bier in der Hand und fragten, durchaus höflich:
„Entschuldigung, haben Sie Werner Herrmanns gesehen?“
Ich blickte schon wieder links, dann rechts, aber keiner der vielen Festivalbesucher trug ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin Werner Herrmanns“. Deswegen blieb mir nur zu sagen:
„Nein, sollte ich ihn kennen?“
„Das ist ein Kumpel von uns, wir wollten uns eigentlich am See treffen. Der ist aber irgendwo anders.“
„Kann ich ihn an irgendetwas erkennen?“
„Ja, der trägt halt so normale Klamotten und eine Cap.“
Jetzt hatten die insofern recht, als auf einem Festival dieser Art jede normale Kleidung heraussticht, wie ein Black Panther-Aktivist bei der Hauptversammlung des Ku-Klux-Klan, aber außer „kick-me“-Schildern konnte man kein Identifikationsmerkmal an diesen unglücklichen Wenigen erkennen.
„Wenn ich ihn sehe, sage ich ihm, dass er beim See gesucht wird, ok?“
Zufrieden zogen sie irgendwann ab. Auch bei denen denke ich nicht, dass die mich verlackmeiert haben, wir haben uns nachher noch über Musik und den Cannabis-Cup unterhalten, die waren in Ordnung und fast nüchtern. Kein Schimmer, wie die darauf kamen, dass ich ein Medium wäre, das den Aufenthalt von mir fremden Personen kennen könnte.
Das waren nur die zwei kuriosesten Erlebnisse dieser Art. Vielleicht hat meine Zentrale einen Virus oder ich muss das Bios mal wieder flashen. Weiß jemand, wie das geht?