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- Veröffentlicht: 26. Januar 2011
TOD: "Wie viele Freunde hast du eigentlich?"
Ich rotiere zutiefst erschrocken mit meinem Drehstuhl, um zu sehen, wer plötzlich hinter mir steht. Bis gerade eben hatte ich versucht, mit dem Lesen des Internets aufzuholen, weil ich zwei Wochen lang nicht dazu gekommen war. Dermaßen vertieft hatte ich meinen Gast wieder mal nicht bemerkt.
Ich: "Ähm, hallo?"
TOD: "Guten Abend. Störe ich?"
Ich: "Ja."
TOD: "Ich habe eine Frage. Was bedeutet es, wenn man der Freund von jemandem ist?"
Ich: "Puh ..."
TOD: "Ich sehe schon, ich frage wahrscheinlich den Falschen."
Ich: "Nein, das ist einfach ein sehr kompliziertes Thema. Der Begriff hat sich auch in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Früher hieß Freundschaft, dass man jemanden hatte, mit dem man Seite an Seite kämpfen konnte, der den letzten Schluck Wasser und die letzte Scheibe Brot teilt, mit dem man weinen und lachen kann und der immer gerne für den Freund da ist."
TOD: "Das klingt doch ganz anständig."
Ich: "Aber seit die Zeiten so schnellebig sind, der Wohnsitz der Menschen oft wechselt und es keine Not mehr gibt, über die man hinweghelfen muss, ist das heute ganz anders."
TOD: "Wirklich? Wie denn?"
Ich: "Puh ..."
TOD: "Ja?"
Ich: "Also ganz grob zusammengefasst ist man heutzutage dann befreundet, wenn ein Bekannter einen Wohnungswechsel plant, fragt ob man beim Umzug helfen will und man keinen Grund finden kann, um abzulehnen."
TOD: "Ach du schöne Schei**e! Echt?"
Obwohl seine Mimik so ausdruckslos ist wie immer, bemerkt man, dass er merklich nervös wird.
Ich: "Darf ich fragen, wieso dich das interessiert?"
TOD: "Ich kann doch nicht ständig bei Umzügen helfen, das geht nicht."
Ich: "Ach nein, sag nicht, dass Du schon wieder ..."
Ich drehe wieder herum in Richtung meines Computers und klicke mich durch zu Facebook.
Als ich endlich aufgehört habe zu lachen und mir die letzten Tränlein aus den Augenwinkeln gewischt habe, räuspert sich mein Besuch hinter mir ein wenig zu laut.
TOD: "Schön, dass Dir das so gefällt. Lustig. Wenn Du jetzt aber bitte die Güte hättest, mir zu erklären, wie ich meine Freunde wieder loswerde?"