Wenn ich zu meinem Sohn (vier Jahre alt) sage: „Leg das Messer hin, das ist scharf, Du schneidest Dich sonst damit“, dann sagt der: „Nein“.
Ich fahre fort: „Es ist wirklich wichtig, dass Du tust, was ich sage. Es könnte eines Tages ganz wichtig werden, dass Du auf mich hörst. Leg das Messer sofort hin!“
„Nein.“ Er grinst mich an und fuchtelt mit der Spitze in der Luft rum.

Ich rufe meine pädagogische Ausbildung im hintersten Stammhirn ab und sage in ruhigem, aber festem Tonfall: „Wenn Du Dich gleich schneidest, dann denke bitte daran, dass ich Dir gesagt habe, Du sollst das rechtzeitig weglegen.“

Das freut ihn, denn er sagt: „Ok.“

Er setzt seinen Versuch, die Tassen am Tassenständer zu besiegen, fort und zwar erfolgreich, denn er spießt meinen Star-Wars-Kaffeepott auf, nimmt ein Stück Tapete mit und macht sich daran, den Feind zu Boden zu werfen.
Ich unterbreche mit autoritärem Gehabe meine Kochtätigkeit und wende mich dem Endgegner Kind zu.
Ganz leise und freundlich raune ich: „Das Wohl Deiner Familie und das Schicksal dieses Planeten und des gesamten Universums hängt davon ab, dass Du JETZT sofort diese Tasse hinstellst und mir das Messer gibst.“

Er sieht mich mit großen, vertrauenden Augen an und ich sehe, wie sehr er mit sich kämpft. In meinem Bauch kribbelt dieses herrliche Gefühl, wenn einer von ach-so-vielen Erziehungsversuchen zu gelingen droht. Ich spüre, wie sich Glück und väterliche Zuneigung in mir aufbauen, ich beabsichtige, mir heute einen eleganten Drink auf meinen Erfolg als Vater zu genehmigen, da greift der Sohn meiner Frau beim Versuch, die Tasse abzunehmen, in die Klinge und schneidet sich und heult.
Ich kann nur wenig Freude empfinden über die Tatsache, dass „… ich es ihm ja gesagt habe“, denn er blutet und leidet theatralisch und da sind Kinder, wenn überhaupt jemals, nicht einsichtsfähig. Manchmal muss man einfach rechtzeitiger eingreifen. Ich hätte ihn vorher entwaffnen sollen, als ich mir dachte, er könnte sich wehtun.

Genau so, wie ich mir sage: Ich hätte so manchen Übeltäter rechtzeitig aus dem Verkehr ziehen sollen, als ich noch die Zeit dazu hatte. Aber weil ich mich nicht verantwortlich fühlte, ging ich meiner Wege. Jetzt treffe ich vermehrt Menschen, denen manche Erfahrung erspart geblieben wäre.
Aber Kinder, wie Erwachsene, müssen einzelne Erfahrungen vielleicht selber machen und ich mich mehr entspannen.

Ausserdem bin ich nicht Batman.