Wir Menschen belügen uns gerne und oft. Das ist bekannt. Wir sehen sogar herab auf diejenigen, die hartnäckig bei der Wahrheit bleiben und bescheinigen ihnen einen Mangel an Kreativität, ja es ist geradezu ein soziales Defizit.

Wir akzeptieren dieses menschliche Verhaltensmuster, weil es unser Leben angenehmer gestaltet. Wenn auf einem Wahlplakat steht:
„Wir für Deutschland!“, dann bekommt der Politiker, der hier wissentlich, absichtlich lügt, auch keine 80 Millionen Strafanzeigen, im Gegenteil.

Es ist schöner, die Vorstellung zu nähren, dass es jemanden gibt, der sich wenigstens die Mühe macht, so zu tun, als wäre er an unserem Wohl interessiert. Stünde da wahrheitsgemäß:

„Wählt mich ins Europaparlament, dann muss ich nie mehr richtig arbeiten, bekomme eine Riesenkohle, die ich im Ausland für Koks und Nutten verprasse und nach ein paar Jahren Rumsitzen, ohne irgendetwas erreicht zu haben, mehr Rente pro Monat als ein Arbeiter im Jahr!“, dann würde der Kandidat zum einen nicht gewählt werden (Ehrlichkeit als Karrierebremse) und zum anderen hätten wir alle ein unangenehmes Gefühl in der Bauchgegend, wenn wir auf dem Weg zur Arbeit an dem Plakat vorbeiführen (Aufrichtigkeit als Volksschädigung). Man erkennt demnach, wie wichtig eine gut platzierte Lüge ist.

Besonders wenn noch Gruppendynamik dazukommt, ist kein Halten mehr. Wir akzeptieren den größten Schmafu, den sich jemand ausdenken konnte, solange es das eigene Lügengebäude stützt. Man könnte zwar nachdenken, aber wo soll das hinführen? Es beruhigt uns sehr, andere Menschen zu treffen, die auch lügen, weil es uns zeigt, wie normal wir dabei doch sind. Wie wenn man jemanden sieht, der glaubt, unbeachtet zu popeln. Da lächeln wir auch ...

Es gibt Lügen, die sind so dumm und dreist, dass wir sie schon nicht mal mehr als solche erkennen. Die machen mich mürbe, weil sie ausserhalb des oben erläuterten gesellschaftlichen Konsens' vor sich hinfaulen. Hier die nervigsten:

„Der Weg ist das Ziel.“

Nein, das ist er nicht. Nie! Das ist eine Schutzbehauptung von Leuten, die nicht ins Ziel kommen wollen oder können. Das Ziel ist das Ziel, deswegen heißt es so. Sonst würde man Weg sagen, und nicht Ziel. Bei Menschen, die diesen Spruch benutzen, muss man vorsichtig sein, sie wissen nicht, wo sie sind und wo sie hinwollen.

„What goes around, comes around.“

Nein, was rumgeht, kommt freiwillig nicht wieder. Wenn es das doch tut, dann zu einem Zeitpunkt, an dem man nicht mehr damit rechnet und mit erheblichem Wertverlust. Menschen sind gierig, die gierigsten Exemplare haben sich in der Evolution durchgesetzt und die paar Großzügigen werden rumgezeigt, wie Aliens in einer Freakshow.
Was die wenigsten wissen: es handelt sich bei dem Spruch nur um einen Auszug aus dem Original, das da lautet: "What goes around, comes around, to hit you from behind."

„Du hast das nicht verstanden.“

(Eine Lüge wird es zugergebenermassen erst, wenn man sich den genervten Tonfall dazu vorstellt, der suggerieren soll, dass es die Schuld des Zuhörers ist.)

Verständnis geht immer vom Erklärenden aus. Der Sprecher ist dafür verantwortlich, dass Verständnis entsteht, denn nur er weiß, wo man hinwill, mit der Erklärung. Hat er ein Gegenüber, das dumm ist wie ein Stück Brot, muss er so vereinfacht erklären, bis derjenige es versteht. Oder man lässt es sein.

„Das kann man nicht verallgemeinern.“

Und wie ich das kann. Ganz toll, ohne Schwung und Anlauf kann ich das sogar. Natürlich ist es irgendwie möglich, sich durch Einzelfälle zu hangeln, bis auch der letzte das Interesse verloren hat, aber es führt zu nichts. Irgendwohin lässt sich alles verallgemeinern. Nur so kann man eine Argumentation aufbauen. Wer diese Lüge benutzt, hat sich in die Ecke manövriert und weiß nicht mehr weiter.

„Mahlzeit!“

Ich kann dieses hirnlose Gekrähe nicht leiden. Für die meisten, die das hören, ist eben gerade keine Mahlzeit und was mache ich, wenn ich das Mittagessen vergessen habe oder gerade keine Zeit dafür?

Und mein Favorit:

„Ich will ja nichts sagen, aber …“

AARGH! Entweder man will etwas sagen, oder man lässt es bleiben! Anzudeuten, dass man etwas nicht tun möchte ist goldener Bullenmist!

Ich weiß gar nicht, wieviel mehr mir noch einfallen würde, wenn ich es darauf anlegen wollte. Vielleicht ergänze ich diese Liste hier regelmäßig. Ist ja mein Blog.