Als ich begonnen hatte, hier zu schreiben, dachte ich, dass es nicht lange dauern würde und mir gingen die Geschichten aus. Im privaten Kreis muss ich schon ständig die Freunde wechseln, um auch ja nicht in Gefahr zu geraten, meine Anekdoten zweimal zu erzählen, weil das wäre peinlich. Wenn ich aber auf meinen Notizblock sehe, wo ich immer kurz hinkritzel, was ich noch einbringen möchte, dann bemerke ich mit Erstaunen, dass der immer länger wird.

Besonders fasziniert mich, wie viele unglaublich kirre Menschen ich getroffen habe und wie viele, im Nachhinein betrachtet, lustige Situationen daraus entstanden sind. Gerne für so etwas herhalten tun bekanntermaßen die Zeugen Jehovas. Mich haben die aber noch nie besucht! Und dabei überlege ich mir ständig irgendwelche lustigen Sprüche, wenn die mich erst mal nach Gott fragen. Ist ein wenig abgedroschen, ich weiß. Legionen von Comedians hatten das schon mal im Programm, dennoch …

Und gerade, als ich gar nicht darauf vorbereitet war, standen sie dann doch einmal vor der Tür. Und zwar der Hintertür des Hauses meiner Großeltern. Mitten in der österreichischen Pampa. Die waren mindestens so überrascht wie ich. Ich hatte mich gerade bereit gemacht zum Spazierengehen und war mächtig klischeehaft gekleidet: Springerstiefel, Cargohosen, schwarzes Finntroll-Shirt mit Antikreuz und Schlapphut mit roter Hahnenfeder. Das hätte eigentlich ein kleiner Hinweis sein sollen, dass es sich bei mir um keine werberelevante Zielgruppe handelte.

Ein klein wenig bewundere ich die Zeugen schon. Sie geben partout nicht auf, das hat Klasse. Der Ältere von beiden erholte sich sogleich vom ersten Schreck und begann:

„Guten Morgen! Na, wollen sie einen kleinen Spaziergang machen?“
Ich blinzelte durch die Sonnenbrille, die ich schon im Haus aufgesetzt hatte, als wäre es auch drinnen in einem alten Bauernhauskeller grausam grell.
„Ja, scheint ein schöner Tag zu werden.“
„Mein Name ist Manfred Engelssohn und das ist mein Sohn. Haben Sie kurz Zeit, mit uns über Gott zu reden?“
Er deutete auf den peinlich berührten jungen Menschen im schlecht sitzenden Anzug, ich deutete stumm auf die Hahnenfeder. Er ignorierte das, oder wußte nichts damit anzufangen. Statt zu erbleichen und seinen Spross von diesem üblen Einfluss zu entfernen, lächelte er und stellte den Fuß in die Tür. Und das kann ich ja gar nicht leiden.

„Sind Sie sich bewusst, wie viel Freude man mit Gott haben kann?“
„Ganz falsche Zielgruppe.“
„Jeder braucht Gott.“
„Wir nicht.“

Mein Sohn schleichte sich von hinten an, klammerte sich an mein Bein und guckte die fremden Leute groß an. Der Redner beugte sich runter und sagte: „Na kleiner Mann?“
Bevor er ihn auch noch anfassen konnte, schob ich den kleinen Mann in den Flur hinein und sagte: „Hör mal, Du hast Dir echt den falschest möglichen Ansprechpartner hier im Dorf gesucht. Wir reden nicht mit Gott, wir glauben nicht. Wir feiern heidnische Rituale bei Mondschein und wenn ich etwas übler finde als, seine Arbeitskraft mit dem Versuch zu verbringen, Konkurrenz für einen Platz im Himmel anzuheuern, dann nur Eltern, die ihre Kinder in diese Gehirnwäsche mit reinziehen. OK?“
„Dürfen wir kurz reinkommen?“

Ich fasste es nicht. Der Mann wäre ein sehr erfolgreicher Politiker geworden.

„Nein.“
„Nur ganz kurz.“
„Nein.“
„Wollen Sie nicht, dass ihre Kinder in den Himmel kommen?“
„Auf keinen Fall. Die wandern brav in die Hölle an die Seite unseres Gebieters.“
„Darf ich etwas zum Lesen da lassen?“
„Nnnneinnnn. Ich will dieses Hetzblatt nicht im Haus haben.“
„Wenn Sie nur ganz kurz Zeit hätten …“
„Fuß weg oder ich breche ihn.“

Er zog das Bein dann doch aus dem Türrahmen und ich knallte die Tür zu. Von draußen kam noch: „Grühüß Gohott!“

Ja nee, is klar.