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- Veröffentlicht: 24. Juli 2014
"Was das heisst, das wurd ihm klar, als er dann ohne Arbeit war" ... (Joint Venture)
Um die Mechanismen von Angebot und Nachfrage zu erklären, kann man gerne Sammelkarten heranziehen. Ich bin ja auf Sparflamme glühender Sozialist und denke, dass der freie Markt nur schlecht geeignet ist, das Leben der Menschen zu ordnen, weil die Gier des Einzelnen das in der Theorie gut überlegte System kaputt macht.
Viele Produktionsanlagen von Gütern, die der Allgemeinheit übermäßig dienen, gehören verstaatlicht und dort dann kompetent verwaltet, dazu zähle ich Krankenhäuser, Pharmaindustrie, öffentlicher Transport, etc.
Die Korrekturmechanismen, die die gierigsten der Menschen davon abhalten sollen, das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage zu stören (Kartellamt, Bafin, Zertifikatsstellen), werden leider zu häufig gestört oder sind zu schwach und korrupt. Deshalb ist eine halbwegs funktionierende öffentliche Hand die bessere Lösung. Geld dafür ist ja genug da. Es wird nur momentan falsch eingesetzt für z.B. nutzlose Aufsichtsräte und Beamte, die schon gar nicht mehr wissen, was sie mit dem Reichtum anfangen sollen und das Geld dem Markt durch Sparen entziehen.
Ich bin selbstverständlich auch für das bedingungslose Grundeinkommen, denn 80% für dessen Finanzierung würde durch wegfallende Transferleistungen wie Sozialhilfe, Mindestrente, Kindergeld gesichert sein und der Rest durch die Zufriedenheit in der Bevölkerung kompensiert werden. Die meisten würden trotzdem arbeiten, aber halt endlich mal in einem Job, der ihnen Spaß macht. Hmm, ich schweife ab.
Wo war ich? Ach ja: Sammelkarten. Jetzt ist die WM vorbei und die Panini-Alben stehen zu Millionen, weltweit, halb ausgefüllt im Regal. Meines von 1982 habe ich noch irgendwo, das war sogar fast voll, weil meine Eltern die fehlenden Karten nachbestellt hatten. Ich habe trotzdem nie wieder reingesehen. Gerne erinnere ich mich aber an die Zeit zwischen den Unterrichtseinheiten, wo wir emsig getauscht hatten. Da gab es dann nicht nur 1:1, sondern wir wussten schon genau, dass manche Karten einen ganzen Stapel anderer wert sind. Ich kann mich nicht erinnern, das Gefühl gehabt zu haben, über's Ohr gehauen worden zu sein. Bis weit nach den Spielen herrschte eiserner Kartenkapitalismus. Und die doppelten, die nicht getauscht werden konnten, wurden entsorgt, so wie die EU Nahrungsmittel verbrennt, um die Weltmarktpreise nicht zu stören. Das taten wir ganz von selbst, ohne Ahnung von Weltwirtschaft zu haben.
Meinem Sohn habe ich für diese WM auch eine Menge Karten gekauft, er hatte bis zum Finale zwei Drittel der Spieler im Album kleben, was schon ganz gut ist. Einen Stapel Tauschkarten haben wir gewaschen (grml), einer verschimmelt irgendwo in seiner Schublade.
In der Schule war Tauschen nämlich verboten. Super.
An Eigeninititative, das heimlich zu machen oder sich privat zum Tauschen zu treffen, mangelte es allen Kindern gleichermassen.
Und jetzt kommt's: Er ist irgendwann hingegangen und hat die meisten seiner Karten hergeschenkt! Das geht doch gar nicht! Ich habe dann zu ihm gesagt: "Junge, lass das bleiben, Du machst doch den Markt für die anderen kaputt. Denn was wäre, wenn jemand für die Karte, die Du herschenkst, eine Karte getauscht bekäme, die er dringend braucht? Ewas gratis herzugeben, macht den Preis kaputt!"
Jo, und dann habe ich gemerkt, wie doof das doch klingt und wie erzkapitalistisch und ich habe mich ein wenig geschämt. Er ist vielleicht doch ein besserer Mensch als ich.
Denn viele von denen, die er beschenkt hatte, gaben ihm dann auch Karten, als sie irgendwann welche hatten, die er brauchte.