Die Ausübung der eigenen religiösen Überzeugung sollte sich von einem Hobby schon unterscheiden, oder?

Die Christen haben vor den Muslimen deshalb so viel Angst, weil sie nicht verstehen, wie man mit jemandem umgehen soll, der seine Religion ernst nimmt. Nun mache ich mich gerne über alles Mögliche lustig … dennoch gibt es ernste Momente, die wesentlicher Bestandteil einer seriösen Beschäftigung mit Spiritualität sind. Der Schabernack, den ich gerne schon mal der Göttin als Verursacherin zuschreibe, der entspringt natürlich meinem eigenen albernen Naturell, das ich hin und wieder aber abschalten muss.

Ein Ritual mit einer Gruppe, die sich noch nicht kennt, vorzubereiten, ist oft geprägt von entweder Unsicherheit, weil sich keiner traut, oder von Beliebigkeit, weil jeder sein Verständnis des Ablaufs unterbringen möchte, so dass keine Linie mehr drin ist. Die anwesenden Elemente und Gottheiten wissen ja schon selber nicht mehr, wie sie heißen, aussehen, was sie sind und wo sie stehen.

Ich war mal bei einem an sich sehr gelungenen Samhain-Ritual, wo alles dabei war: Vorbesprechung, Reinigung, Kreis, Elemente, Götter, Kernelement und kurze Verabschiedung. Vielleicht war es schon zu kalt geworden und zu spät (kann ich nicht sagen, ich habe weder Zeit- noch Kälteempfinden in dieser Situation), denn auf einmal wechselten alle Teilnehmer in den Normal-Modus und haben laut geschnattert, herumgewuselt, sind schon nach Hause gegangen und haben weiß-ich-was gemacht.

Ich stand da, klein und einsam im Kreis der Elemente, die immer noch auf ihrem Platz warteten, merklich mit den Schultern zuckten, sich ansahen und nicht wussten, was nun kommt. Natürlich sind da nicht wirklich Feuersäulen und Wasserfontänen rumgehangen, aber in meiner Gefühlswelt sah das so aus.
Langsam ging ich noch einmal im Kreis, versuchte das heitere Geschwätz um mich herum auszublenden und schickte die Elemente noch einmal mit Dank heim. Danach wurde die Beleuchtung des Rituals in der Anderswelt merklich entspannter und ich konnte wieder ganz zurück kehren. Als ich fertig war, stand ich alleine im nun leeren Kreis, die anderen waren schon weg. Erst jetzt waren wir fertig.

Und hier folgt nun mein Appell: Sich mit den Tätigkeiten einer Hexe zu beschäftigen und ihren Weg zu gehen ist nicht zu vergleichen mit einem Live-Rollenspiel. Natürlich verlange ich nicht von jedem, sich gleich die gesamte Verantwortung einer Hexe (die in diesem Bereich viel mit Schamanismus zu tun hat) aufzuladen, die meisten sind mir in der Rolle des Laien-Konsumenten sehr willkommen. Ein Ritual soll locker sein und Freude machen, aber es wäre schon wichtig, anzufangen, diesen Weg etwas ernster zu nehmen. Gerade wenn man den Anspruch hat, mit Magie zu arbeiten, das heißt, Energie zu kanalisieren, zu formen und zu halten, dann kann man sich nicht verhalten, wie ein Kinobesucher, der einen Fantasy-Film verlässt. Wer nicht genau weiß, was ich meine, der ist gut beraten, still zu beobachten und zu lernen.

Unsere Vorfahren hatten immer mit Extremsituationen zu schaffen. Kälte, Hitze, wilde Tiere, Naturgewalten, Krankheiten, das war ihr Alltag. Wenn der moderne „Merlin Rabenblut“, im richtigen Leben der Kevin aus Bottrop, seine Studentenbude verlässt, um in Gothic-Klamotten im Wald herumzuhüpfen und seine neueste Athame mit großem Brimborium vom Wicca-Priester 7. Grades weihen zu lassen, dann ist das vielleicht eine hübsche Geschichte, die man in Foren breit treten kann. Aber wo ist da die Verbindung zur eigentlichen Naturreligion?

Die Natur ist sehr ernst und unmittelbar physisch, man versteht sie besser, wenn man an seine Grenzen geht. Ein Sonnentanz ist da bestimmt hilfreich, mir aber zu blutig. Es reicht ja, wenn man mal für ein paar Tage in die Einsamkeit geht. Spüren, wie sich der Körper anfühlt, wenn er friert, von der Sonne beschienen wird, wenn er Hunger hat, wie er Teil der Göttin ist. Man spürt auf einmal Dankbarkeit, keine Schmerzen zu haben, den Durst stillen zu können, die Füße bewegen zu können, eben am Leben zu sein.

Eine schöne Abkürzung, für Eilige, die noch nicht genau wissen, was ich meine, wäre, eine Schwitzhütte zu besuchen. Ein enger dunkler Raum, der den übermächtigen Sehsinn schon mal ausschaltet. Dann ist da eine extreme Hitze, die zu Boden drückt, hinunter zu dieser kühlen, feuchten Erde. Die ungewohnten Gerüche und der monotone Gesang, all das ermöglicht, auf eigene Art und Weise umzuschalten und zu verstehen, dass das jetzt eben kein Spiel ist.

Als ich zum ersten Mal eine solche Hütte verließ, da weinte ich vor Glück, nicht weil ich von irgendeinem göttlichen Funken angesprungen wurde, sondern viel profaner. Ich hatte verstanden, dass eine Hexe genau eines wissen muss: Was ist wichtig, was ist unwichtig und wo ist der Unterschied.