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- Veröffentlicht: 13. Januar 2010
Man nehme den gemeinen Touristen: Zu bunt, zu dick, schlecht für den Notfall gerüstet, Rudelbildung, Reiseführer ersetzt Landeskunde, Fotoapparat und Video zwecks Öffentlichkeitsarbeit im privaten Kreis nach Rückkehr in seine heile(re) Welt. Das Bild sitzt? Bitte für später merken.
Freunde von uns waren in Vietnam auf einem sehr ausgedehnten und teuren Sitehopping à la: „30 Sehenswürdigkeiten in 14 Tagen“. Vorab muss ich sagen, dass die beiden sehr beeindruckende Fotos gemacht haben, vor allem Portraits, die deshalb so toll sind, weil sie die Menschen in ihrer natürlichen Umgebung zeigen, bei der Arbeit, beim Lungern, Essen oder Betteln. Es ist wohl auch einem sehr guten Objektiv zu verdanken, denn man sieht den Models an, dass sie nicht merken, fotografiert zu werden.
Es sind diese ehrlichen und natürlichen Gesichter, die die Hand eines Schönheitschirurgen schon beim bloßen Anblick zittern lassen. Vom Leben gezeichnet, Lach- und Sorgenfalten wo sie hingehören, zufrieden mit ihrer kleinen Welt und dem Betrachter das Gefühl gebend, dass sie trotz oder gerade wegen ihrer einfachen Lebensweise erheblich zufriedener sind, als man selbst.
Der beobachtende Tourist sitzt dann abends an der klimatisierten Bar, während die Bewohner der Stadt bei flackerndem Licht ein bescheidenes Essen auf dem Boden zubereiten.
Zwei Welten, die verschiedener nicht sein könnten. Sie existieren vollkommen getrennt voneinander und berühren sich nur selten, wie durch eine Schaufensterscheibe hindurch.
Das Nicht-Wissen war damals zwar zum einen Teil sehr furchteinflößend. Keiner heute kann die Angst nachvollziehen, zu bangen, ob die Sonne wieder aufgehen wird, oder ob der Winter dieses Mal gewinnt. Andererseits nimmt es uns viele Möglichkeiten, zu hoffen, zu glauben und sich dann auch zu freuen. Einen Spielfilm anzusehen, dessen Ende man kennt, bzw. weiß, wie die Special Effects entstehen macht ja auch keinen Spaß mehr.
Und so, wie der oben angesprochene Weltenbummler in eine Umgebung gerät, die er nicht mehr verstehen kann, die er aber zumindest für eine Zeitlang schön findet und von der er genau weiß, dass es nicht seine Welt ist (und nie sein soll, denn wer will schon längere Zeit auf Waschmaschine und 40 Fernsehkanäle verzichten ...), so benehmen sich viele Hexen, die alte Traditionen kopieren aus einer Zeit, in der man sich über Dinge gewundert hat, die uns schon gar nicht mehr auffallen (Bestes Beispiel: Befruchtung).
Wir müssen unsere esoterischen Wege der heutigen Zeit anpassen, damit wir vom kleinen Volk nicht ausgelacht werden.
Wenn uns der natürliche Zugang zum Wundern fehlt, weil wir nun einmal wissen, was eine statische Entladung ist und wie der Wasserkreislauf funktioniert, dann dürfen wir auch keine Medizin verwenden, die dieses natürliche Wundern voraussetzt.
Ich werde regelmäßig bestaunt und belächelt, weil in meinen Zauberstab eine Taschenlampe eingebaut ist. Meine Antwort: weil es praktisch und hübsch ist, zählt nicht. Und dann sind die „old Gards“ mit ebensolcher Regelmäßigkeit pikiert wie Touristen, die enttäuscht beobachten, dass die Indianer in den Reservaten ja gar nicht mehr in Zelten wohnen, krank und arm sind, sondern sich weiter entwickelt haben.
Zwei Möglichkeiten: Entweder wir passen unsere Mystik der heutigen Zeit und dem heutigen Wissensstand an oder leben konsequent in einer anderen Zeit. Aber nach dem Ritual direkt in die Herberge mit künstlichem Licht und Kühlschrank, Heizdecke und Fernseher, das verdient als Auszeichnung die weiße Sportsocke mit Sandale am Band.