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- Veröffentlicht: 23. September 2013
Mal angenommen, ich müsste auf einen Elternabend gehen und würde dort zwischen all den anderen Eltern sitzen, deren Kinder nachvollziehbarerweise und selbstverständlich niemals so toll sind wie die eigenen, dann gelänge es mir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, mich irgendwann aufzuregen.
Es wäre denkbar, dass die Lehrerin sich freut, uns zu verkünden, dass der Schulchor in der Kirche singen darf und die Kinder sich wiederum schon ganz doll freuen, die schönen, alten Kirchenlieder üben zu dürfen.
Eventuell ist es im Bereich der Möglichkeiten anzusiedeln, dass ich darauf hinzuweisen in der Lage wäre, wie großartig doch die Idee eines säkularen Staates sei und wir von einer staatlichen Schule erwarten würden, dass die diversen Religionen allenfalls in historischem Kontext in den Schulalltag treten ...
NIEmals echauffierte ich mich über den Einwand, dass wir nun mal in einer christlichen Gesellschaft mit christlichen Leitwerten leben täten und so hat auch der folgende Dialog nie stattgefunden:
Ich: "Welche christliche Gesellschaft? Ausser einer pseudo-christlichen Regierungspartei und dem sonntäglich verzweifeltem Geläute in leeren Kirchen tritt die doch überhaupt nicht in Erscheinung?"
Lehrkörper: "Aber die christlichen Werte wie Nächstenliebe und Vergebung gehören doch zu unserer Leitkultur."
Ich: "Soll ich anfangen aufzuzählen, wie viele Kriege und Völkermorde stattgefunden haben im Namen der christlichen Nächstenliebe?"
Lehrerin: "Das ist doch schon so lange her, die Gesellschaft hat sich verändert!"
Ich: "Fragen Sie mal in Jugoslawien nach, was die Christen dort von Vergebung halten."
Lehrerin: "Also, jedenfalls hier in Deutschland ist das gelebte Christentum ein anderes. Denken Sie an die vielen Kindergärten und Krankenhäuser, die die Kirche leitet."
Ich: "Leiten tut sie das, aber zahlen tun das zu über 95% der Staat, weil die Kirchensteuer für den Erhalt der Kirchen und arbeitslosen Pfarrer plus deren Kostüme gebraucht wird.
Die Kirche brauchen doch nur mehr alte Leute, kurz vor deren Tod, oder?"
Lehrerin: "Sie können doch nicht abstreiten, dass die meisten Deutschen immer noch Christen sind." (Vereinzelt nicken die von unserem Dialog genervten Eltern)
Ich: "Die sind genauso sehr Christen, wie ich Jediritter."
Lehrerin: "Jediritter?"
Ich: "Man gehört doch nicht automatisch zu einer religiösen Gruppe, bloß weil man mit ihr sympatisiert! Ganz wichtig bei der Entwicklung von religiösen Gruppen war, dass ausschließlich diejenigen, die sich an alle Rituale der Gruppe hielten, dazugehören durften und deren Schutz genossen. Wer das nicht tat wurde sofort aus der Gemeinschaft verstoßen, wenn nicht gar einteignet und getötet."
Lehrerin: "Das ist heute zum Glück anders."
Ich: "En contraire, Madame. Es gibt drei Merkmale, an denen man einen Christen erkennt. Nur wer sich daran hält, darf sich Christ nennen. Dazu gehört: 1. Kirchensteuer zahlen. 2. jeden Sonntag und Feiertag in die Kirche gehen, um der Gemeinschaft zu zeigen, dass man mitmacht und 3. die regelmäßige Beichte." Ich sehe mich im Klassenraum um.
"Welcher der Anwesenden hält sich denn daran?"
Ein Elternpaar meldet sich, die anderen reden durcheinander und wollen relativieren.
Ich fahre laut dazwischen: "Machen wir doch die Gegenprobe. Der Islam hat auch drei Regeln: 1. Einen Teil seines Geldes spenden (es geht bei Religionen irgendwann immer um Geld), 2. fünfmal am Tag beten, das jeden Freitag auch in der Moschee und 3. zu einem relativ willkürlichen Termin wochenlang tagsüber abstinent leben, was sie Ramadan nennen."
Wieder sehe ich mich um und frage: "Welcher der Anwesenden hält sich denn daran?"
Bis auf ein sehr weltliches türkisches Paar melden sich alle islamischen Eltern.
Ich: "Hmm. Laut Umfrage liegt die Vermutung nahe, dass wir tendenziell eher in einer islamischen Gesellschaft leben. Da in einer Moschee aber nicht gesungen werden darf, täte ich sagen, wir denken noch einmal über die Vorteile einer säkularen Gesellschaft nach..."
[und dann bist du aufgewacht?]
[Schweissgebadet. Ich hasse Elternabende. Gut, dass da immer meine Frau hingeht.]