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- Veröffentlicht: 23. April 2012
Mir ist beim Nachdenken etwas aufgefallen: Erstens, dass man viel zu wenig Zeit nutzt, um einfach mal nichts zu tun und nur nachzudenken und zweitens, dass wir Heiden nicht angreifbar sind. Betrachtet man die anderen Religionen, so fällt es leicht, einen Kritikpunkt zu finden bis hin zu der unerträglichen, unbeantworteten Frage aller Fragen: Wie kann es sein, dass sich Menschen gegenseitig im Namen eines fürsorglichen und liebenden Gottes töten und quälen?
Da wir Naturreligiösen wirklich nach der Maxime leben, dass wir nur dann glücklich werden, wenn wir niemandem schaden, sind wir rein moralisch auf der richtigen Seite. Interessanterweise nutzen die Anhänger der Weltreligionen trotzdem reflexartig jedes Klischee, um sich lustig zu machen. Die Beispiele, die mir einfallen, sind nicht viele und sie haben meistens mit Bäumen und/oder Lebkuchenhäusern zu tun. Das ist überschaubar und ich steige gerne darauf ein, beispielsweise: "Wenn ich ein kleines Mädchen neben einem Backofen stehen sehe, dann werde ich immer nervös..."
Aber Baumkuschler? Ich habe in der Vergangenheit nie viel davon gehalten, Bäume besonders zu verherrlichen. Ich betrachte sie als Teil des Göttlichen, wie alles andere auch. Und nur, weil sie größer und schöner als zum Beispiel Wiesenkräuter sind, sie dann gleich zu bevorzugen, scheint mir ungerecht. Allerdings habe ich in diesem Jahr zwei besondere Erfahrungen gemacht, die mich dazu brachten, Bäume mit anderen Augen zu sehen:
Auf einem meiner Spaziergänge in diesem Frühling ist mir aufgefallen, dass dort zufällig viele weiss blühende Bäume und Büsche auf dem Weg stehen. Alle blühten sie in den letzten zwei Wochen gleichzeitig und mit ganzer Kraft, die kleinen wie die großen. Wenn man die Brille abnimmt, sieht es aus wie Wolken oder Wattebäusche durch die man wandert. Abgesehen von dem hübschen Effekt, hat mich ein Baum überrascht, der etwas abseits an einem Fussballplatz steht und schwer mitgenommen aussieht. In der Mitte gespalten, die Rinde schäbig und mit grob verheilter Holzschnitzerei versehen, die Äste geknickt, alte rostige Nägel von vergangenen Plakataktionen im Stamm ... ein Fall für die wohlverdiente Rente möchte man meinen. Aber er war mit Abstand der fleissigste Blüher, seine Blätter kamen heraus mit diesem wunderschönen hellen Grün, dem man ansieht, dass sich das Blatt auf die Sonne freut und dann war er der erste, der den Bienen seine Blüten in voller Pracht entgegenstreckte, als wolle er den anderen "Anfängergewächsen" um sich herum zeigen, wie man es richtig macht. Nimmt man so einen blühenden Ast in die Hand, dann kann man fast schon den Saft rinnen fühlen, voller Tatendrang und Zielstrebigkeit.
Ich finde in diesem Zusammenhang erstaunlich, dass es im obigen Absatz immer "der Baum" heisst. Die Energie eines blühenden Baumes ist definitiv weiblich. Wenn man sich davor hinstellt, die Augen schließt und hinsieht, dann erkennt man das Pendant zu einer betörend schönen und empfangsbereiten Frau, nicht jung, aber das ist bei Bäumen egal. Sie geben sich von ihrer Entstehung bis zum Übergang ins große Möbelhaus im Himmel immer Mühe und scheinen nicht altern zu können. Optisch mögen sie nicht mehr frisch sein, aber ihre Energie steigt von Jahr zu Jahr. Beneidenswert, denn wir Menschen haben nur eine sehr kurze Phase, in der wir auf dem Höhepunkt unserer Kraft stehen und beobachten dann nur mehr unseren eigenen Verfall. Je größer ein Baum ist, desto mehr Energie benötigt er und ich habe das Gefühl, dass er diese Energie nicht speichert, sondern ständig durch sich kanalisiert, parallel zu seinem Wasserkreislauf. Wenn man ihn anfasst und sich konzentriert, kann man das spüren, denke ich.
... und dann wollte ich noch von einem seltsamen Erlebnis erzählen, das ich ein klein wenig gruselig fand: Ich saß zu Ostara auf einem alten Baumstumpf im Wald und langweilte mich. Noch war vom ersten Grün weit und breit nichts zu sehen, das Panorama bestand also aus einer Collage von Ästen und Herbstlaub. Während ich so da saß, bemerkte ich, dass der Baumstumpf auf der einen Seite neben mir ein Loch enthielt, wie man es so kennt, weil er von innen nach aussen verrottet. Darin befand sich nach erster Sichtung Moos, morsches Holz, Laub und Spinnweben. Und jetzt eine Frage: Hat schon jemand mit der Hand in einen hohlen Baum hineingelangt und die Energie gefühlt? Ich weiss noch nicht, was ich davon halten soll, kann aber sagen: Es ist sehr beeindruckend ... probiert es selbst aus.
Baumkuscheln war gestern, der moderne Heide verzichtet auf das Vorspiel und kommt gleich zur Sache.
[trotzdem gemein von dir, die brotkrumenfährte verwischt zu haben]
[Pah. Wenn eine von diesen streunenden Landplagen es noch einmal wagen sollte, an meinem Häuschen zu knabbern, dann ...]