Ich: „Hast Du eigentlich schon einmal Drogen ausprobiert?“

TOD: „Nein. Sollte ich?“

Ich: „Wir trinken ja auch regelmäßig zusammen Alkohol, der scheint bei Dir zu wirken. Und da Deine Gesundheit nicht zu gefährden ist, dachte ich …“

TOD: „Ich schauspiele nur. Ich habe nämlich keinen Organismus, weißt Du?“

Ich: „Ja, Herr Oberlehrer.“

Wir zwei standen am Grab meiner Vorfahren und starrten auf den sorgfältig manikürten Grashügel mit dem Schildchen drin, das dem Gärtner zeigt, ob er hier noch arbeiten darf. Es war ein schöner, sonniger Herbsttag, rechts unter mir lag die Stadt Wien, links von mir saßen zwei angeregt plaudernde Damen.

In Wien treffen sich die Witwen gerne schon mal auf Friedhöfen, weil es da überall Parkbänke, keine Hunde oder hektisch laufende, gehende, rollende oder gar walkende Jugendliche gibt und weil der Ex, an den man sich sein Leben lang gewöhnt hatte, auch gleich in der Nähe ruht und zwar so, wie sie ihn immer haben wollten: schweigend.

Der Hernalser Friedhof ist meiner Meinung nach der schönste in Wien, auch wenn er nicht so groß ist wie der vielfach besungene Zentralfriedhof. Er liegt im Nordwesten der Stadt, am Fuße der auch vielfach besungenen Weinberge und von der Stelle unseres Grabes aus, sieht man nicht nur über ganz Wien, sondern auch so manchen schönen Sonnenuntergang.

Während meines Studiums habe ich in der Nähe gewohnt und war sehr oft hier, unter anderem während der Sonnenfinsternis. Damals hatte ich dummerweise diese Spezialbrille nicht gekauft, deshalb war ich der einzige, der nicht in den Himmel starrte. Im Nachhinein von Vorteil, weil ich mich darauf konzentrieren konnte, wie sich die Farben des Tages änderten, wie die Tiere und Menschen auf die Erscheinung reagierten und das ganze andere Drumherum. Die Eklipse selber war ja schnell vorbei, aber das düstere Licht auf den Grabsteinen werde ich nicht so schnell vergessen, genauso wie das plötzliche Verstummen der Vögel.

TOD: „Wieso fragst du?“

Ich: „Nur so. Ich denke, ich sollte mit dem Saufen aufhören.“

TOD: „Und stattdessen andere Drogen nehmen?“

Ich: „Nee, ich glaube nicht. Ich verstehe irgendwie nicht, wofür und wieso.“

TOD: „Diese Angst, dass die Träume sich verflüchtigen, ist die Angst vor der Einsamkeit der Nüchternen, vor der Bedeutungslosigkeit eines jeden flüchtigen Augenblicks des Glücks eines Süchtigen.“

Ich: „…“

TOD: „Ist nicht von mir. Aber gut.“

Ich:  „Dann ist der Grund, Drogen zu nehmen also, weil man Angst davor hat, wieder nüchtern sein zu müssen?“

TOD: „Es macht das Leben bunt und granatenstark, das haben mal zwei Kids zu mir gesagt, mit denen ich Twister gespielt hatte. Peinliche Geschichte war das …“

Ich: „Ja, ich glaube, ich habe den Film gesehen.“

Die alten Damen hörten auf mit ihrem Geschnatter um gemeinsam stumm zu mir herüberzusehen und dann zu tuscheln. Es war kein ungewöhnlicher Anblick für sie bisher gewesen, dass jemand mit einer Bierdose in der Hand an einem Grab steht und mit sich selbst redet, aber dass er dabei fröhlich lacht, war sogar in dieser Stadt ein auffälliges Benehmen. Ich winkte zu ihnen rüber. Sie taten sofort so, als hätten sie nur zufällig in die Richtung gesehen.

Dann verabschiedete ich mich noch einmal kurz von meinem Großvater und ging meinen eigenen Weg: Erst nach oben zu den alten Gräbern, durch den Baumkreis mit den fünf im Stern stehenden Eichen, sagte meinen Spruch, drehte mich im Kreis und spazierte dann an den Gruften vorbei hinaus auf die Straße.

Ich: „Kommst Du noch mit zum Heurigen?“

TOD: „Auf ein Krügerl?“

Ich: „Ein Vierterl und ein Stamperl. Wie es unsere Tradition verlangt.“

TOD: „Ich weiß aus erster Hand, dass Deine Vorfahren alles sehr disziplinierte und der Wirtshauskultur abgeneigte Menschen waren.“

Ich: „Ach, die Wege der Ahnen werden im Allgemeinen überschätzt. Du kennst doch den Spruch vom alten J.W.v.?“

TOD: „Und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Bier trinken?“

Ich: „Habe ich Dir eigentlich schon gesagt, dass Du manchmal sehr sympathisch bist?“

 

 

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Ich: „Hast Du eigentlich schon einmal Drogen probiert?“

Tod: „Nein. Sollte ich?“

Ich: „Wir trinken ja auch regelmäßig zusammen Alkohol, der scheint bei Dir zu wirken. Und da Deine Gesundheit nicht zu gefährden ist, dachte ich …“

Tod: „Ich schauspiele nur. Ich habe nämlich keinen Organismus, weißt Du?“

Ich: „Ja, Herr Oberlehrer.“

Wir zwei stehen am Grab meiner Vorfahren und starren auf den sorgfältig manikürten Grashügel mit dem Schildchen drin, das dem Gärtner zeigt, ob er hier noch arbeiten darf. Es war ein schöner, sonniger Herbsttag, rechts unter mir lag die Stadt Wien, links von mir zwei aufgeregt schnatternde Damen. In Wien treffen sich die älteren Herr- und Damschaften gerne schon mal auf Friedhöfen, weil es da überall Parkbänke, keine Hunde oder hektisch laufende, gehende, rollende oder gar walkende Jugendliche gibt und weil der Ex-Mann, an den man sich sein Leben lang gewöhnt hatte, auch gleich in der Nähe ruht und zwar so, wie sie ihn immer haben wollten: schweigend.

Der Hernalser Friedhof ist meiner Meinung nach der Schönste in Wien, auch wenn er nicht so groß ist wie der vielfach besungene Zentralfriedhof. Er liegt im Nordosten der Stadt am Fuße der auch vielfach besungenen Weinberge und von der Stelle unseres Grabes sieht man nicht nur über ganz Wien sondern auch so manchen schönen Sonnenuntergang. Während meines Studiums habe ich in der Nähe gewohnt und war sehr oft hier, auch während der Sonnenfinsternis. Damals hatte ich dummerweise diese Spezialbrille nicht gekauft, deshalb war ich der einzige, der nicht in den Himmel starrte. Im Nachhinein war das toll, weil ich mich darauf konzentriert hatte, wie sich die Farben des Tages ändern, wie die Tiere und Menschen auf die Erscheinung reagieren und das ganze andere Drumherum. Die Eklipse selber war ja schnell vorbei, aber das düstere Licht auf den Grabsteinen werde ich nicht so schnell vergessen, genauso wie das plötzliche Verstummen der Vögel.

Tod: „Wieso fragst du?“

Ich: „Nur so. Ich denke, ich sollte mit dem Saufen aufhören.“

Tod: „Und stattdessen andere Drogen nehmen?“

Ich: „Nee, ich glaube nicht. Ich verstehe irgendwie nicht, wofür und wieso.“

Tod: „Diese Angst, dass die Träume sich verflüchtigen, ist die Angst vor der Einsamkeit der Nüchternen, vor der Bedeutungslosigkeit eines jeden flüchtigen Augenblicks des Glücks eines Süchtigen.“

Ich: „…“

Tod: „Ist nicht von mir. Aber gut.“

Ich: „Dann ist der Grund, Drogen zu nehmen also, weil man Angst davor hat, wieder nüchtern sein zu müssen?“

Tod: „Es macht das Leben bunt und granatenstark, das haben mal zwei Kids zu mir gesagt, mit denen ich Twister gespielt hatte. Peinliche Geschichte war das …“

Ich: „Ja, ich glaube, ich habe den Film auch gesehen.“

Die alten Damen hörten auf, mit ihrem Geschnatter um einheitlich zu mir herüberzusehen und dann zu tuscheln. Es ist kein ungewöhnlicher Anblick für sie bisher gewesen, dass jemand mit einer Bierdose in der Hand an einem Grab steht und mit sich selbst redet, aber dass er dabei fröhlich lacht, ist sogar in dieser Stadt ein auffälliges Benehmen. Ich winkte zu ihnen rüber. Sie taten sofort so, als hätten sie nur zufällig in die Richtung gesehen.

Dann verabschiedete ich mich noch einmal kurz von meinem Großvater und ging meinen eigenen Weg (erst nach oben zu den alten Gräbern, durch den Baumkreis mit den fünf im Stern stehenden Eichen, sage meinen Spruch und spazierte dann an den Gruften vorbei hinaus auf die Straße.

Ich: „Kommst Du noch mit zum Heurigen?“

Tod: „Auf ein Krügerl?“

Ich: „Ein Vierterl und ein Stamperl. Wie es unsere Tradition verlangt.“

Tod: „Ich weiß aus erster Hand, dass Deine Vorfahren alles sehr disziplinierte und der Wirtshauskultur abgeneigte Menschen waren.“

Ich: „Ach, die Wege der Ahnen werden im Allgemeinen überschätzt. Du kennst doch den Spruch von Göthe?“

Tod: „Und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Bier trinken?“

Ich: „Habe ich Dir eigentlich schon gesagt, dass Du manchmal sehr sympathisch bist?“