Wir haben das Glück in einem Staat zu wohnen, der im Grunde fast alles erlaubt. Perfekt ist das System noch nicht, weil zumindest mir immer noch ein paar Dinge einfallen, die ich doch noch gerne gestattet bekommen möchte und anderes wiederum legal ist, obwohl es vom Prinzip her auf untolerierbaren Füßen steht. Aber damit müssen wir leben können, denn so schnell finden wir nichts Besseres.

Als im 30-jährigen Weltkrieg die deutschen Eltern Millionen ihrer Kinder für den Kaiser, seinen Nachfolger und deren schlechte Launen geopfert haben, dachten sie ja auch (ich zitiere meine Großmutter): „Das waren größenwahnsinnige Volltrottel, aber es waren unsere Trottel“. Ich kann mir vorstellen, dass das sinngemäß der allererste Satz war, den ein Affe zum anderen geraunt hat. So sind wir nun mal.

Und mit der Zeit haben wir uns ja doch verbessert...

Das nunmehr 60-jährige Demokratie-Experiment in Deutschland hat sich zwar noch nicht wirklich bewährt, aber so schnell wird es nicht abgebrochen werden können, da weder ein klares positives, noch ein negatives Ziel, also ein Grund für einen Notstopp, definiert wurde. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit? Wir alle wissen, dass das nicht wirklich zählt. Das sind nur aneinandergereihte schöne Worte, nicht einmal Richtlinien unserer Politik.

Unsere Gesellschaft, so heißt es, fundiert auf christlichen Idealen und ich untersuche einfach mal die drei der 10 Gebote, die sinnvoll sind. Die restlichen 7 sind überflüssig.

1)    Du sollst nicht begehren Deines Nachbarn Weib.

Höhö. Wenn dem so wäre, gäbe es keine halbnackten, sich räkelnden Frauen in jeder Joghurt-Werbung und erst recht keine Milliarden-Euro-Porno-Industrie.

2)    Du sollst nicht begehren Deines Nachbarn Hab und Gut.

Unsere Marktwirtschaft ist auf nichts anderem aufgebaut, als den Willen des Konsumenten zu fördern, möglichst viel zu begehren von dem, was der Nachbar hat.

3)    Du sollst nicht töten.

Es gibt Bibliotheken, voller Bücher, die Ausnahmeregelungen aufführen, unter welchen Umständen man das doch darf. Davon ist die verheerendste die: „Du sollst Dich wirklich ganz doll anstrengen niemanden zu töten, außer er betet zu einem anderen unsichtbaren Mann im Himmel als Du“.

Wir sehen also, dass die Werte, die eine Gesellschaft sich auf die Fahnen schreibt, nichts zu tun haben müssen mit der Alltagspolitik. Daran haben wir uns dermaßen gewöhnt, dass das Wort „Werte“ schon genauso schal schmeckt auf der Zunge wie „Führer“.

Unsere Aufgabe als alternative Religionsgruppe ist es, selber eigene Werte vorzugeben, zu akzeptieren und zu leben. Das Christentum ist auf einem absteigenden Ast, in drei Generationen wird es eine Randerscheinung der Gesellschaft sein. Da braucht es Alternativen, ansonsten zucken wieder alle mit den Schultern und sagen zu Recht: „Es gibt halt nix besseres“.

Für uns ist das sehr schwer. Wir müssten uns auf etwas einigen. Und das wird mit Einbußen auf allen Seiten einhergehen. Viele sind aber Hexen geworden, weil sie meinen, endlich tun zu können, was sie wollen. Das ist traurig. Sie sehen sich nicht als Teil der Gemeinschaft.

In Rom gab es für Staatskrisen die Möglichkeit, einen Diktator zu wählen. Vom Prinzip her war das brillant durchdacht. Man stellte sich vor, dass dann unkompliziert, ohne lästiges Volk oder deren inkompetente Vertreter, ein richtiger Entscheidungsträger mal eben alles richtet. War halt blöd, dass der dann die Truppen Roms nahm und den eigenen Senat entmachtete, aber das soll uns nicht davon abhalten, in diese Richtung weiterzudenken. Es wird ja de facto heute schon so vorgegangen: Damit die Regierung machen kann, was immer sie will, inszeniert sie einen Grund, Angst zu haben und das fürchterliche ängstliche Volk nimmt alles hin.
So sind in Deutschland genau 0 Menschen an den Folgen terroristischer Anschläge durch Al-Quaida gestorben, aber fast 10000 Menschen jedes Jahr an den Folgen terroristischer Anschläge durch Zigarettenraucher. Man sieht, welche Prioritäten gesetzt und wo mehr Bürgerrechte beschränkt wurden, zur Abwehr einer (im ersten Fall nur vermeintlichen) Gefahr.

Wir müssen unsere Werte und deren Folgen für die Zukunft ernsthaft überdenken. Sonst ist es irgendwann zu spät und wir werden von barbarischen Horden überrollt.

Zwei Beispiele für dramatische Entwicklungen: Über unserer Wohnung hat jemand einen Papagei als Haustier. Das Vieh krächzt zu jeder Tages- und Nachtzeit in voller Lautstärke und niemand beschwert sich. Wenn aber Kinder zu laut spielen oder nachts weinen, dann wird der Lärm „gemeldet“. Und wusstet ihr, dass weltweit mehr als zehnmal so viel Geld für Schoßtiere ausgegeben wird, als für Kinder? Da läuft doch was verkehrt! Hunde dürfen überall hinkacken, wir nicht? Es fällt mir auch in Deutschland immer wieder auf, wie lieb und verständnisvoll die Menschen mit ihren unnützen und unerzogenen Tieren umgehen, aber Kinder werden angeschrien, weggebracht, sogar geschlagen. Das sagt doch viel aus über den Stand der Dinge.

Wenn es sein muss, dann würde ich es schreien:

[och, nööö]
[Doch!]
[es hört eh keiner, wenn du das laut schreibst]
[Es geht mir ums dramatische Prinzip.]
[dann mach doch, aber schrei die tastatur nicht kaputt]
[Scherzkeks.]

WIR  BRAUCHEN  EINEN  NEUEN  UND  VERBINDLICHEN  WERTEKATALOG !

Beispiele: (ich brainstorme mal)

Menschenschutz geht vor Tierschutz.
Menschenschutz geht vor Vermögensschutz.
Niemand braucht mehr als eine Million Euro pro Monat.
Jeder braucht mehr als 1000 Euro pro Monat.
Männer und Frauen sind nicht gleich.
Kinder sind keine Erwachsenen.
Naturschutz ist keine Option, sie ist Pflicht.
Wenn keine Waffen produziert werden, kann sie auch keiner benutzen.
Es gibt keinen Kriegsgrund.
Wer in einen Krieg zieht, ist immer ein Kriegsverbrecher.
Kriegsverbrecher sind auch 70 Jahre später keine Helden.
Fernsehen dient der Bildung.
Mehr Bildung für Faschisten.
Mit Terroristen wird nicht verhandelt.
Kunst ist nicht eine Frage des Geschmacks.
Religion ist Privatsache.

Ich könnte weitermachen, aber ich will nicht. Da ärgere ich mich nur.
Es gibt noch so viel zu tun und wir haben nur so wenig Zeit …