Ich war ein paar Tage im Krankenhaus. Es ging mir gar nicht gut. Erstens war mein Stolz geknickt denn bisher war ich noch nie krank und hatte mir eine Menge darauf eingebildet. Zweitens tut eine Lungenentzündung mächtig weh, abgesehen davon, dass die Antibiotika scheußlich schmecken und groß wie ein Zäpfchen sind. Irgendwie verliert man da den Humor.

Dazu kam, dass ich das Glück hatte, das einzige Vierbettzimmer zu belegen, zusammen mit zwei Todeskandidaten und einem Alkoholiker, der sich auf Kassenkosten mal eben eine Woche entzieht, bevor er wieder nach Hause geht und fleißig weiter „krank“ ist.

Als wäre das noch nicht genug, kam auch noch mein Kumpel vorbei, um zu plaudern. Es gibt Situationen, da will man solche Freunde nicht um sich haben, ganz besonders, wenn ihnen jedes Feingefühl fehlt.

 

TOD: „Du hier?“

Ich: „Nun ja, Hollywood hat mich wieder mal abgelehnt.“

TOD: „Ha Ha.“

Ich: „Hör auf. Lachen tut mir weh. Was machst Du überhaupt hier?“

TOD: „Ich wollte Dich besuchen.“

Ich: „Lügner.“

TOD: „Schon gut. Ich war sowieso grad hier. Im Nachbarzimmer wird gleich ein Bett frei.“

Ich: „Hmm. Traurig.“

TOD: „Kann sein.“

Ich: „Wann bin ich denn dran?“

TOD: „Bald.“

Ich: „Ar….“ Husthustwürghust „…loch“

TOD: „Du weißt, dass ich solche Fragen nicht beantworte.“

Ich: „Kann ich nicht wenigstens mal meine Sanduhr sehen? Ich kann ja schätzen.“

TOD: „Nein.“

Während ich so da liege und mich bemitleide, steht er weiter unschlüssig im Raum rum.

Ich: „Musst Du nicht irgendwo hin?“

TOD: „Lebensverlängernde Maßnahmen sind ein Terminkiller.“

Er zuckt mit den Schultern und lehnt sich schwer an die Sense.

Ich: „Mal was anderes: Ich habe gerade wieder von einem sensationellen Fund in Südamerika gelesen. Archäologen öffneten ein Grab und brachten die Knochen ins Museum. Erinnerst Du Dich eigentlich an alle ‚Kunden’?“

TOD: „Ja.“

Ich: „Was würde der dazu sagen, dass seine Gebeine ausgestellt werden?“

TOD: „Chicomecoatl? Oh, ich bin mir sicher, er würde alle Beteiligten äußerst fantasievoll verfluchen.“

Ich: „Könnte er das theoretisch immer noch tun? So aus dem Jenseits?“

TOD: „Tot zu sein wirkt erstaunlich beruhigend auf die Seele des Verstorbenen.“

Ich: „Aber er könnte?“

TOD: „Kommt drauf an. Aber grundsätzlich schon, denke ich.“

Ich: „Kam es denn schon einmal vor?“

TOD: „Darf ich Dir nicht sagen.“

Ich: „HA! Das heißt: Ja.“

TOD: „Nein, das heißt es nicht.“

Ich: „Nönö, Du hättest nein gesagt, wenn noch niemand seine Grabräuber verflucht hätte.“

TOD: „Ok: Nein, es kam noch nie vor.“

Ich: „Zu spät.“

TOD: „Grmml. Warum rede ich eigentlich mit Dir?“

Ich: „Ist ja bald vorbei.“

TOD: „Womit Du recht hast.“

Ohne zu grüßen, ging er. Ich hörte noch Leute schreien und viel Aufregung am Gang und dann den Arzt etwas von „Totenschein“ rufen. Kurz darauf war alles wieder ruhig, bis auf das gelegentliche Husten und Röcheln ringsum.

Nun, ich finde wirklich, dass die Menschheit sich entscheiden sollte. Gibt so etwas wie Totenruhe oder nicht? Dass die Würde des Toten nach einer Zeit abläuft verstehe ich nicht. Entweder wir behandeln den Leichnam als etwas, das wir respektieren, oder wir lassen es bleiben.

Archäologie ist für mich Grabräuberei und Leichenfledderei. Dass man dafür studiert haben muss, um es „legal“ machen zu dürfen, macht es nicht besser. Wenn wir ein Grab entdecken, dann sollten wir unsere Neu- und Goldgier zügeln, wieder Gras darüber pflanzen, bzw. die Platte vor der Pyramide verschließen und die Toten in Ruhe lassen.

Oder wir gehen konsequenterweise dazu über, den Körper ab Feststellung des Todes als seelenloses Ding zu behandeln, das von der Essenz des Verstorbenen getrennt ist. Dann braucht es auch keine würdevolle Beerdigung mehr, sondern nur noch einen Müllschlucker.

Oder aber ich habe nicht mitbekommen, dass es allgemein bekannt ist, wie lange es dauert, bis der Körper vom Geist vollständig getrennt ist. Waren es nicht 25 Jahre, bis ein Grab aufgelöst wird? Sollte irgendein frisch Verstorbener oder ein Medium das hier lesen, dann bitte ich um Aufklärung. Ich würde mich weniger ärgern, wenn ich in ein Museum gehe und könnte diesen Konflikt meinen Kindern erklären.