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- Veröffentlicht: 21. Dezember 2017
Bei Kabarettisten und Comedians gehört es zum Standardrepertoire, dass sie darauf hinweisen, wie schrecklich das Weihnachtsfest doch für die ganze Familie ist. Dazu gehören drei Merkmale des Grauens:
- Mit steigendem Alkoholpegel mehren sich die Streitereien durch pöbelnde Verwandte, die darin enden, dass Mutter weinen geht
- Verordnete Harmonie, auf den Punkt gebracht durch Loriots: „Jetzt ist es aber gemütlich“
- Spontane Religiösitätsschübe, die man das ganze Jahr lang vermeidet, aber:
„Ach komm, s’isch doch Weihnachten *hicks*“
Schon früh als Kind blickte ich mit Grauen auf den Adventskalender, um die Tage zu zählen, die uns noch bleiben, bis wir uns „schick“ anziehen, fürchterliche Lieder singen, oder sogar den mangelhaften Künsten mit dem Musikinstrument etwas abquälen, diese komplett unverständliche Weihnachtsgeschichte anhören müssen, nur bis endlich die Geschenke kommen, für die man dann lächeln und dankbar sein sollte.
Natürlich habe ich mich wie jedes Kind erpressen lassen und machte gute Miene zum bösen Spiel, weil ... naja … die Geschenke waren schon supergeil.
Und das Essen eigentlich immer köstlich.
Um den vorwurfsvollen Blicken und tiefen Seufzern der Enttäuschung elternseits zu entgehen, wenn ich nichts zu Schenken hatte, malte ich meistens einen Tag vorher ein krudes Bild oder, wenn ich Glück hatte, war etwas Gebasteltes aus der Schule dabei. Ich weiß noch, dass ich das letzte Mal mit ca. 20 Jahren noch am Weihnachtstag für jeden eine Orange kaufte und mit Nelken lustige Gesichter steckte. Das war so lächerlich, und ich kam mir so dumm vor, weil unüberlegt gehorsam, dass ich seitdem nichts mehr schenke.
Zum Glück ist meine Frau derselben Meinung wie ich und gemeinsam entwickelten wir folgenden Ablauf: Zu Jul feiern wir alleine. Und Knecht Ruprecht bringt den Kindern Geschenke. Dann schön Essen und dann Kuscheln. Finito.
Das ist gar nicht so einfach, wie es klingt, weil meine Mutter extrem sauer war und jedes Jahr aufs Neue ist…), dass sie nicht eingeladen ist. Ich argumentiere, dass es für uns ein religiöses Fest ist und keine offene Veranstaltung, bei der wir uns beobachten lassen wollen wie Tiere im Zoo oder Bayern beim Schuhplatteln (eigentlich dasselbe). Dabei betone ich ganz bewusst und provokant, das Wort religiös, um auf den Unterschied zum christlichen Fest hinzuweisen, wo es nur um Konsum und Brauchtumspflege geht, weil keiner zufriedenstellend zu begründen weiß, was die Geburt eines jüdischen Zimmermanns vor 2000 Jahren in einer Wüste far far away eigentlich für uns bedeuten soll.
Dann, drei Tage später, holen wir die feinen Kleider aus dem Schrank und fahren zur buckligen Verwandtschaft, um zu völlern, singen und verzückt auf den Baum zu sehen, wir hören das Weihnachtevangelium und ich versuche ganz Zen zu bleiben. Für meine Frau ist das der einzige Termin im Jahr, wo sie sich total volllaufen lässt und ich bleibe nüchtern, um mir die Scharade anzusehen und nach Hause fahren zu können.
Nach der verlangten Zelebrierung der Schenkerei und demonstrativer Dankbarkeit, packen wir die drei IKEA-Taschen voll mit Essensresten und den Geschenken, schnappen die müden und mit Gefühlen überfrachteten Kinder und sind vor Mitternacht auch schon zu Hause.
Am nächsten Tag fühle ich die wohlige Katharsis, es für dieses Jahr hinter uns gebracht zu haben und wir lenken uns nach erfolgter Stärkung durch eine hochdosierte Portion Ibuprofen ab mit angenehmen Gedanken an Autoversicherung, Steuererklärung und bald ist ja auch schon Ostern, wo sie uns erklären werden, was der sterbende Jesus mit eierfärbenden Hasen zu tun hat.