Vegetarier schrieb:
"Mir ist noch nie EIN vernünftiges Argument für das Verzehren von Tieren untergekommen. Wenn mir jemand eines nennen würde, dann würde ich eventuell überlegen. Aber ich glaube, es gibt einfach keines.
"

Es betrübt mich ein wenig, dass von all den Themen, die ich im letzten halben Jahr angesprochen habe und die weit mehr für Diskussionen hergeben würden, als ausgerechnet meine Frage an die Vegetarier, diese als einzige kontrovers diskutiert wird.

Und dabei habe ich es außerdem noch ganz anders gemeint, als es aufgefasst wurde. Es ging mir nicht um einen Aufruf, hier Gründe für und wider Fleischkonsum zu nennen. Es ist mir und der Welt eigentlich egal, wieso jemand Fleisch isst oder eben nicht. Mir ist wichtig, dass jeder tut, was er will und damit glücklich ist.

Dies ist ein religiös motiviertes Weblog. Und weil für Hexen die Gemeinschaft der Menschen wichtig ist (die Polis) ist es auch politisch, aber die Religion ist Ausgangspunkt und Ziel einer jeden Betrachtung. Deshalb war meine Frage vielleicht besser so zu lesen: Was bedeutet es, Mitglied einer Naturreligion zu sein? Wieviel Natur und wieviel Religion sind enthalten und in welchem Verhältnis? Wie konsequent ist der Naturanteil? Ich gebe zu, das ist komplizierter zu beantworten, aber von viel weitgehender Tragweite, als das belanglose Gezanke auf den Veggieportalen.

Die Göttin ist groß, die Göttin ist weit, sie ist überall und alles. Was immer geschieht, geschieht in ihrem Sinne. Wobei wichtig ist, dass ich nicht von einer anthropomorphen Gestalt auf dem Gipfel irgendeines Berges rede, sondern von eben der Natur. Es interessiert sie nicht direkt, wenn wir beten, sie hört nicht eigenständig zu, sie reagiert auch nicht. Sie ist kein Mensch, sondern das göttliche Ganze. Wenn wir mit ihr reden, reden wir mit dem Göttlichen in uns, hören zu und reagieren selber darauf. Man sollte es besser meditieren nennen.

Grob gesprochen ist die Quintessenz des folgenden in einem antichristlichen Witz zu vereinfachen: Wenn Gott gewollt hätte, dass wir nicht masturbieren, dann hätte er uns kürzere Arme gemacht.

Bis vor ca. 100 Jahren hatte der Großteil der Menschen zu wenig zu essen. Man nahm, was man kriegen konnte und durfte. Besonders gut zu verwertendes Eiweiß wurde nur den wichtigsten Menschen zugeteilt, Wildern bei Todesstrafe verboten. So wie in der Tierwelt die Stärksten zuerst am gerissenen Bock naschen dürfen und die Schwächeren erst später zum Zuge kommen. Es ist also von der Natur, unserer Göttin, so vorgesehen, dass die Tiere, zu denen ich jetzt auch die Menschen zähle, sich gegenseitig verspeisen, der jeweils Stärkere den Schwächeren, da sind wir uns einig. Es hat einen Grund, warum der Allesfresser Bär liebend gerne und besonders in Zeiten, wo er schnell viel Energie braucht (vor dem Winterschlaf oder bei Trächtigkeit) alles Fleisch isst, das er kriegen kann, wahrscheinlich lacht er über seine asiatischen Kollegen die einen unvergleichlichen Mehraufwand mit der ständigen Bambusfresserei haben.

In Irland haben sie zu Zeiten der großen Hungersnot, und davor auch schon, jeden Tag nur Kartoffeln gegessen. Die ganze Familie ständig nur Kartoffeln von früh bis spät. Und gelegentlich Seetang, bis die Küsten leergeklaubt waren. Fischen konnten sie nicht gehen, weil sie ihre Fischerboote an die Engländer verpfändet hatten, im Vertrauen darauf, dass die Krise (und das war eine wirkliche Krise, nicht eine, wo virtuelles Geld von einem Betrüger zum anderen geschoben wird) bald vorbei sein würde. Ich bin mir sehr sicher, dass kein einziger, ich wiederhole: kein einziger der Hungernden lieber Kartoffeln als Fleisch gegessen hätte. Der Luxus, den wir uns heute leisten können, weil das Gemüse und die Tofuplatten von weit her geschippert werden, ist zwar sympathisch (ich liebe gut marinierten Tofu!), aber unnatürlich.

Deswegen auch meine Antwort auf die oben zitierte Frage: Weil die Tiere zur Verfügung stehen, weil wir sie essen können und weil's lecker schmeckt. Und ich ergänze: weil es ihr göttlicher Wille ist.

Zurecht verweist Alruna auf den Unterschied zwischen Naturreligion und Spiritualität. Mein Aufsatz da oben gilt ersterem. Spiritualität wiederum ist etwas anderes: eine höchstpersönliche und mystische Sache über so ungreifbare Dinge, wie Energie, Verbindungen, Werte, Zauberei, Stellenwerte, etc. Nur Menschen sind dazu fähig, diese Spiritualität von der Naturverbundenheit zu trennen. Diese Vergeistigung ist für jeden Menschen anders, es lässt sich auch nicht predigen und aufschreiben. Hier kann man nur sein Beispiel nennen, vielleicht hört ja einer zu. Deswegen kann ich sehr wohl sehr gut damit leben, dass Menschen Fleisch ablehnen, weil es sie schüttelt, beim Gedanken, andere Lebewesen zu essen, die auch Gefühle hatten.

Ich selber bin da halt anders, wahrscheinlich weil ich auf meinen Reisen den Hufschlag der  apokalyptischen Reiter (Tod, Krankheit, Hunger, Krieg) mehr als einmal gehört hatte.
Zur Not würde ich bestimmt auch Menschen töten und essen. Es müsste eine große Not sein und die letzte Alternative, aber ich würde es ohne zu Zögern tun und jeder, der schon mal wirklich Kurz-vorm-Verrecken-Hunger hatte (nicht diesen lächerlichen kleinen Hunger zwischendurch), oder dabei ist, seine Kinder zu verlieren, der weiß, wie gierig, und auf einmal total unspirituell, das Tier in uns werden kann.

Deshalb ist die treffendste und schmerzlichste Antwort auf obige Frage wahrscheinlich: Hunger und Todesangst, ihr verwöhnten Blagen!