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- Veröffentlicht: 27. März 2012
Die Tage werden länger, es wird wärmer, die Vögel ziehen, hüpfen und singen. Ein Jahr voller Möglichkeiten liegt vor mir, ich fühle mich stark und frisch, es könnte losgehen. Ich betrete also entschlossen die Aschebahn 2012 und suche meinen Startblock. Der hinzugezogene Schiedsrichter läßt mich verzweifeln, weil er erst mal nach der Sportart fragt und ich stehe wieder unschlau mitten im Stadion des Jahreskreises rum und denke nach. Vielleicht sollte ich ganz am Anfang beginnen. Den Turnbeutel hatte ich ohnehin wieder einmal vergessen ...
Beginnen wir einmal damit, uns überhaupt erst einmal für die Frage zu entscheiden. Was bin ich? versus Was will ich?
Davon ausgehend, das eine als gegeben zu setzen, kann man das andere als variabel nehmen.
Entweder: Wenn ich mich darauf festlege, was ich bin, kann ich sagen, wo ich damit hinwill. Beispiel: Ich bin Fischer mit einer Angel >> ich will Fische fangen. Ich könnte als Fischer auch andere Dinge tun, aber es liegt auf der Hand, dass ich "irgendwas mit Fisch" zu tun haben will.
Oder: Wenn ich aber davon ausgehe, dass ich möglichst viele Fische haben möchte, kann ich mir überlegen, wie ich das anstelle, ob als Einkäufer an der Londoner Börse, in Tokio auf dem Markt oder am Wolfssee beim Angeln.
Beides hat Vorteile und Nachteile. Eine gegebene Situation engt die Möglichkeiten ein, zu viele Möglichkeiten strengen an. (Wir kennen das von der Berufswahl nach der Schule: Früher wurde man, was der Vater schon war, heute hat man keinen Schimmer und irrt die ersten Jahre meistens kopflos herum.)
Im konkret vorliegenden Fall: Was für eine Hexe bin ich und wo will ich damit hin? Gerade eben habe ich einen Artikel meines sehr geschätzten Kollegen Joe Nichter gelesen, wo er Stellung bezieht zu der Auseinandersetzung zwischen den "Traditionalisten" und "denen die Dinge erfinden". Er schreibt da, dass er mit zeremonieller Magie zwar bemerkenswerte Erlebnisse hatte, es ihm aber nicht so gut passte, weil er lieber auf eigene und phantasievolle Weise an sein spirituelles Ziel kommen möchte. Wenn ich ihn im Laufe der Jahre, die ich sein Blog schon lese, richtig verstanden habe, dann nimmt er sich eine gute Idee heran, zum Beispiel spirituelle Betrachtungen aus dem alten Rom und sieht, wie er das am besten einbaut. Grob gesprochen.
Und nun überlege ich eben, wie ich das handhabe.
Ich hatte keinen Lehrer, ausser dem Leben selbst. Und meine Überlegungen zu den Dingen. Ich lerne bei jeder Diskussion dazu, füge aber Stein auf Stein und betrachte, wie das Haus wächst, in dem meine Spiritualität wohnt. Um nicht zu riskieren, dass das Gebäude zusammenfällt, darf ich Bausteine von unten nicht einfach, ohne lange Vorarbeit, wegziehen. Deshalb bitte ich um Entschuldigung bei den Gesprächspartnern, die das Gefühl haben, ich würde zu sehr von dem überzeugt sein, was ich sage. Aber ich sehe keinen anderen Weg, als Schritt für Schritt voranzugehen und sich von einer persönlichen Wahrheit zur nächsten zu hangeln. (Um genau zu sein war das die allererste Lektion, die mir eine sehr bemerkenswerte Hexe aus Australien gelehrt hat, als ich gerade total verzweifelt war: "Small steps.")
Die Natur, die Welt, und alles darüber hinaus ist unsere Gottheit, wir selber mit eingeschlossen. Wir brauchen keine Überlieferungen, um zu lernen, was unsere Religion ausmacht, wir müssen nur sehen, hören, fühlen. Das war alles schon vor uns da und wird noch existieren, wenn wir weg sind. Auch hier möchte ich die hohe Literatur bemühen: Sir Pratchett schreibt in Hogfather über den Wandel der Natur-Religion und wie wir damit umgehen. Es beginnt in seinem Bild mit der Sehnsucht unserer Ahnen nach dem Ende des Winters und dem Blut des Opferschweins hin zum Weihnachtsmann mit rotem Mantel. Dieser brillanten und sehr lesbaren Analyse habe ich wenig hinzuzufügen, ausser meinen eigenen Schluß für oben gestellte Frage zu ziehen:
Unsere Religion ist die einzige auf der ganzen Welt, die immer bleiben wird. Alle anderen sind von der Lehre und der Übergabe der Tradition abhängig.
Wie wir Menschen unseren Umgang mit der Verehrung der Natur handhaben, bleibt jedem selbst überlassen: Entweder er erfindet etwas selbst, womit er sich wohlfühlt und/oder er kopiert etwas von anderen. Der Mensch als Herdentier sucht sich andere Menschen, mit denen er gemeinsame Ziele besser verfolgen kann, deshalb braucht meiner Meinung nach sogar die einsamste aller Solitär-Hexen eine Gemeinschaft. Um den Kommentar-Eintrag von "Freier Atem" aufzugreifen: Das Heidentum bedient kein spezielles Klientel, es ist einfach nur da und kann für spirituelle Zwecke genutzt werden. Ich finde, wir sollten einen Weg finden, es gemeinsam zu nutzen, denn dann können wir mehr erreichen für uns alle.
Fazit: Ich bin eine Hexe und will möglichst vielen Menschen mit guter Absicht ermöglichen, die gottgegebene Natur-Religion als etwas Schönes zu erleben. Und wenn es dann darum geht, die drei großen Übel der Heidenszene zu bekämpfen, die da sind:
- Kommerz
- Geheimnistuerei
- Hierarchien
dann wisst ihr jetzt, wieso.
Lasst uns doch die Chance nutzen, die dem Revival des Heidentums durch das Internet gegeben wurde und einfach mal Dinge erfinden, dann aber bitte welche, die uns gemeinsam weiter bringen, anstatt zu bremsen mit fadenscheinigen Argumenten.