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- Veröffentlicht: 05. Mai 2009
Es gibt gewisse Handlungen, die wir Menschen schon seit Jahrtausenden üben. Wenn wir mit etwas Neuem konfrontiert werden und unsicher sind, dann beschwören wir Hilfe. Entweder bei anderen Menschen, die möglicherweise mehr Erfahrung und Wissen einbringen können oder man sucht sein Heil in der Mystik.
Ich hatte mich schon oft gefragt, wie sich gewisse Ritualhandlungen entwickelt haben. Die Entzündung von Räucherwerk zur Reinigung, Aufhängen von Traumfängern, Rasseln, Anfertigung von Talismanen, Höhlenmalerei, Steinkreise, Tattoos, das waren (und sind immer noch) alles Hilfsmittel, die den Menschen Kraft gaben in ungewissen Zeiten. Aber wer hat damit angefangen?
[ich weiß es][Hmm, ja sicher…]
[ehrlich, ich weiß es]
[Mag sein, aber es geht nicht wirklich um einen Namen, sondern mehr um eine prinzipielle Frage.]
[das will aber niemand lesen]
[Geh Trolle ärgern.]
Gestern war ich beim Zahnarzt. Damit meine Frau noch entspannt mit unserer Tochter einkaufen gehen konnte, nahm ich den Vierjährigen mit, auch in das Behandlungszimmer. Er kennt das eigentlich schon, weil er erst vor ein paar Wochen den guten Pflegezustand seiner Zähne dort bestätigen ließ, war aber erschrocken darüber, dass die Zahnmännlein (so nennen die das im Kindergarten) bei mir schon wieder die Zähne angeknabbert hatten, was jetzt repariert werden musste.
Wir warteten gemeinsam, dass die Spritze Wirkung zeigt und er hielt mir, sehr zur Belustigung des Doktors, einen Vortrag darüber, dass ich gefälligst ordentlich die Zähne putzen soll, was ich ihm versprach.
Während der Behandlung war er ganz still und ging ein bisschen auf und ab. Er machte sich echt Sorgen.
Ich konnte ihn in meiner Nackenstreckposition natürlich nicht sehen, vertraute aber darauf, dass er ganz brav sein würde. Irgendwann spürte ich ein leichtes Gewicht auf meinem Bein und da ich annahm, das wäre mein Sprößling, deutete ich mit der Hand an, er möge nach hinten gehen, er sollte den Arzt während seiner Arbeit nicht stören. Zum Schluss, beim Ausspülen, sah ich dann dass er wieder aufrecht im Besucherstuhl zu meinen Füßen saß, mit großen Augen, mich bewundernd. Er fragte: „Papa, wieso bist Du so tapfer?“, was alle Anwesenden, inklusive meiner Wenigkeit, dahin schmelzen ließ. Das sind genau diese Momente, in denen man begreift, wieso Vaterschaft das erstrebenswerteste Ziel im Leben eines Mannes ist.
Ich antwortete ein wenig lallend: „Weil der Zahnarzt so gut ist, dass es nicht weh tut.“
Dieser wiederum sagte lächelnd: „Trotzdem sollte man besser auf seine Zähne achten.“
Der Junge nickte ernst.
Und da bemerkte ich beim Aufstehen, dass mir mein Sohn etwas auf das Bein gelegt hatte. Einen kleinen Zettel, den er wohl aus der Hosentasche gefischt hatte, um ihn zu mir zu bringen. Da stand nur sein Name drauf, ich nehme an, sie hatten im Kindergarten Schreiben geübt.
Wahrscheinlich dachte er, dass mir das helfen würde.
Mir fiel auf, dass es möglicherweise in uns drin ist, wir das gar nicht lernen müssen, die Sache mit den magischen Hilfsmittel. Diese Erbschaft haben uns die Ahnen in den Genen hinterlassen.
[hach, wie schön]
[Nicht wahr?]
[willst du jetzt wissen, wer damit anfing?]
[Nein, das spielt keine Rolle. Hauptsache, niemand hört damit auf.]
[auch wieder richtig]