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- Veröffentlicht: 14. August 2009
Wie viele Sprachen spricht die Göttin?
Alle? Oder nur Englisch?
Reden wir bei Ritualen mit der Göttin oder mit uns?
Diese Fragen wurden schon oft gestellt und vielfach beantwortet. Erstaunlich, dass sie trotzdem immer wieder auftauchen. Wicca, die einzige bekannte Tendenz im Heidentum, stammt aus dem englischen Raum und deshalb auch die Literatur. Wenn Bücher übersetzt werden, dann verlieren sie immer, denn man kann die mit viel Feingefühl und Aufwand aufeinander abgestimmten Worte in der Eile des Übersetzens nicht mit derselben Intensität hinbekommen, wie der Autor. Da es aber anscheinend keine adäquaten deutschen Autoren gibt, müssen wir (bzw. die Wicca) hier schon mal mit dem englischen Original leben.
Jede Religion benötigt eine Tradition, also die Möglichkeit, erlangtes Wissen weiterzugeben. Das kann in Schrift und in Sprache erfolgen. Schrift hat sich bewährt, um über Zeiten hinweg zu bestehen, in denen es, aus den verschiedensten Gründen, unmöglich war, mündlich zu tradieren. Schrift hält sehr lange. So lange, wie es jemanden gibt, der es lesen und verstehen kann.
„Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängerthums!Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut’gen Ruhms,
Dein Name sei vergessen, in ew’ge Nacht getaucht,
Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!“
Der Alte hat’s gerufen, der Himmel hat’s gehört,
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,
Noch Eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht,
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.
Und rings, statt duft’ger Gärten, ein ödes Heideland,
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;
Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch.
Dieses Gedicht ist einfach großartig, weil es zeigt, was die Höchststrafe für uns alle ist: Alleine und einsam in Vergessenheit zu geraten. Um das zu verhindern, braucht es Menschen, die erzählen. Und auf der anderen Seite: Menschen, die verstehen. Dafür ist die beste Voraussetzung, dass man dieselbe Sprache spricht und dieselbe Schrift benutzt.
Ein Buch der Schatten in Geheimschrift zu führen, ist sinnentlehrt, denn entweder man steht dazu, dass man etwas macht, das auch andere machen, dann sollten die das auch lesen können, oder man will in Vergessenheit geraten, sobald niemand mehr diese Schrift versteht.
Klar ist es angenehm gruselig, etwas Geheimes zu machen, einem elitären Kreis anzugehören, aber das ist Schnickschnack für Kiddies, die auch gerne Vampirromane lesen. Wer seine Religion ernst nimmt, wer sich darin wohl fühlt, der hat auch Interesse daran, dass andere Menschen die Möglichkeit haben, die Erfahrungen und Rituale nachzuvollziehen, um es eventuell selber zu praktizieren und weiterzugeben.
Deshalb bin ich hin- und hergerissen, wenn es um die Frage geht, in welcher Sprache die Rituale abgehalten werden sollen. Denn Englisch ist nun mal die am weitesten verbreitete Sprache, fast jeder Mensch, der Interesse an unserer Gemeinschaft haben könnte, kann Englisch und es ist am wahrscheinlichsten, dass sie auf ewig von Menschen gesprochen werden wird, weil sie gleichzeitig vielseitig und simpel ist.
Andererseits leben wir in Deutschland und Deutsch ist unsere native Sprache, mit der wir die meisten Gefühle verbinden, wir träumen in ihr und müssen nicht nachdenken, wenn wir sie benutzen. Ich liebe die deutsche Sprache, aber 98,1% aller Menschen auf dieser Welt haben damit Probleme. Wir würden uns sozusagen im kleinen Kreis bewegen.
Da unsere Religion sehr am Land hängt, seiner Energie und seiner Geschichte, geht es wahrscheinlich nicht anders, als die Sprache des Landes zu benutzen.
Trotzdem finde ich es gut, wenn man zweisprachig ritualisieren kann. Ich war begeistert, als einmal, bei einem Treffen, wo ein englischer Gast zugegen war, die Sprache gewechselt und statt „Kreis in einem Kreis“, „We all come from the goddess“ intoniert werden konnte.
Die Christen sprechen mit ihrem Gott, nicht mit sich selber, deswegen ist ihr Gottesdienst in Kisuaheli genau so viel wert (und langweilig), wie in jeder anderen Sprache. Wenn wir (ganz anders) mit unseren Göttern reden und sie feiern, dann reden wir auch immer mit dem Göttlichen in uns selbst und das sollten wir verstehen, sonst wäre die ganze Veranstaltung sinnlos.
Zusammenfassend plädiere ich für Deutsch als Standard-Sprache unserer Liturgie.
Exkurs: Wo wir gerade bei Sprache sind: Ich finde die Tendenz, auf Mittelaltermärkten in dieses auf alt gemachte Deutsch zu verfallen, entsetzlich. Tut mir sehr leid, die meinen das ja lustig, aber es zwingt einen so hinein in eine Spirale. Auf einmal hat man das Gefühl, nicht mehr genau zu wissen, was man antworten soll und ist so unsicher mit den Vokabeln.
Beispiele vom letzten Markt, wo wir mal die ganze Familie mitnahmen:
Ritter in Rüstung steht am Tor, wir kommen an, als er ruft:
„So haltet ein, habt ihr einen Passierschein?“
„Nö, nur diese Eintrittskarten.“
„So zeigt denn her, junger Recke.“
„Ich weiss nicht genau, was ein Recke ist, ich jedenfalls bin Kaufmann.“
„Soso, vom handelnden Volk?“
„So in der Art. Hier sind die Karten.“
„Sind das denn alles eure Kinder?“
„Nein, ich versuche, sie als Sklaven zu verkaufen. Brauche ich dafür eigentlich trotzdem Karten, oder gehen die als Ware durch?“
„Er beliebt zu scherzen?“
„Wer?“
„Na, er!“
„Ich?“
„Ja klar!“
Endlich verliert er die Lust am Rollenspiel und lässt uns durch. Wenn er das mit jedem durchziehen würde, wäre kaum jemand auf den Markt gekommen.
Später beim Waffenhändler:
„Na, junger Recke, interessiert ihr euch für meine wohlfeilen Waren?“
„Ich bin Kaufmann.“
„So wollt ihr also mit meinen Waren handeln?“
„Nein, ich will sie kaufen und gegen die Wache am Tor verwenden. Der guckt die ganze Zeit so grimmig rüber.“
„So habt ihr euch für diese feine Klinge entschieden?“
„Ich hätte auch gerne den Griff dazu.“
„Ja nee, is klar.“ (Er fällt ein wenig aus der Rolle.)
„Wieviel kostet der Spaß?“
„Für euch als Kaufmannsgenosse mache ich ein besonderes Angebot: 100 Silberlinge.“
„Wieviel ist das in Euro?“
Und so weiter. Ich könnte schwören, ich habe schon Händler ihren Stand fluchtartig verlassen sehen, wenn sie mich aus der Ferne erkannten.