Es regnet. Ich stehe mit einem dampfenden Tee in der Hand vor dem Küchenfenster und sehe dem grauen Treiben draußen zu. Ich mag Regen und Herbstwetter sowieso. Wenn der erste Dunst über die Felder und Wiesen schleicht und die noch warme Sonne zärtlich scheint, nur durch einen nach nasser Erde und Laub riechenden Wind abgekühlt, dann sortiert sich unser Leben neu.

Der Hochsommer steht für eine Zeit des Müßiggangs, wenn das Jahresrad sich aber weiter dreht und die Tage merklich kürzer werden, dann bemerke ich eine neue Lust darauf, aktiv zu werden. Ich sortiere Papierkram, erledige aufgeschobene Arbeiten, putze an Orten, wo ich im Sommer noch nicht hingekommen bin und versuche herauszufinden, was ich eigentlich noch alles tun könnte.

Voriges Jahr um die Zeit hatte ich mir gedacht, es sei an der Zeit, mal wieder raus in die Welt zu gehen und mich mit anderen Hexen zu treffen. Zu lange war ich jetzt schon in meinem Elfenbeinturm gesessen und theoretisierte, aber nun drängt es mich nach weiteren Feldversuchen im Territorium. Die Kinder sind auch älter, schlauer und interessierter geworden, wo ist denn mein vielbeschworenes Dogma hin vom "Religion in den Alltag einbauen"?

Kurzum, ich musste raus und meine Leute treffen. Und was macht die moderne Hexe dann? Richtig: Sie geht ins Internet.

Erster Suchbegriff: Hexen in NRW

Aua. Edelsteine, Esoterik, Hexenverbrennung.
Einer sucht einen Zirkel. Ich nehme an, der benutzt ein vornehmeres oder mystisch angehauchtes Wort für Gruppe und hat nicht, wie ich so oft, seinen Zirkel irgendwo verschlampt, der Turnbeutelvergesser.

Zweiter Suchbegriff: Hexen Treffen

Spieleabend, Coven, Motorradtreffen.
Besonders lange und nicht zielführend auf Groups.de aufgehalten.
Nein. So kam ich nicht weiter.

Ich wechselte die Taktik und suchte große Foren und deren Links zu Spezialgruppen auf. Zwei Stunden später habe ich dann tatsächlich eine Richtung gefunden, die mir einigermaßen zusagt. Was das für eine Gruppierung ist, möchte ich hier nicht erwähnen, denn ich denke mir, dass eher die Individuen und deren Sicht auf die Dinge für meine unten zu lesende Glosse verantwortlich waren und nicht die übergeordnete Heidengruppierung im Speziellen.
Nennen wir sie einfach mal: "Die Sammler".

Es war zuerst gar nicht so einfach, die Sammler zu kontaktieren. Es gab auf ihrer Website nur einen Ansprechpartner, irgendwo in Mitteldeutschland und den Hinweis, man möge lokale Treffen erfragen, was ich tat. Ich erhielt drei Tage später sogar eine Antwort von jemandem aus meiner Gegend. In der kurz gehaltenen E-Mail, die die gesamte vorherige Korrespondenz enthielt ("Da ist einer ... der scheint in Ordnung zu sein ... kümmer Dich mal drum ..."), wurde ich darum gebeten, mein Anliegen zu erklären und etwas über mich zu erzählen.
Ich hielt es für das Sinnvollste, mich nur durch knappen Verweis auf dieses Blog vorzustellen, denn was mehr könnte ich, noch ausführlicher und ehrlicher, über mich und mein Leben schreiben? Darauf erhielt ich auch umgehend eine Bestätigung, dass ich für das nächste Treffen eingeladen werden würde. Das fand ich gut.

Die Einladung kam ein paar Tage später als pdf-Datei. Schön aufgemachtes DIN-A5-Faltblatt mit Cover, Programm und Organisatorischem zum Ausdrucken. Sah professionell aber nicht serienmäßig aus. Ich war positiv überrascht.

Die Eckpunkte des Programms in Kurzform:

  • Ritualbeginn: 15 Uhr
  • Ritualende: 18 Uhr
  • Keine Kinder
  • Essen und Trinken mitbringen
  • Angabe des Orts erst nach Zahlungseingang
  • Unkostenbeteiligung: 30 Euro pro Person
    das beinhalte die Kosten für Ritualzubehör und Raummiete

Sagt selbst: Wie viele Fehler enthält dieses Bild und wieso fällt das nur mir sofort ins Auge?

Drei Stunden für das gesamte Ritual mit allen Vor- und Nachgesprächen?, indoors?, ohne Familie? und dann noch für 10 Euro pro Stunde?, pro Person?!
Das kann doch nur ein Missverständnis sein.

Ich habe deshalb ein paar Rückfragen gestellt, erhielt aber nur kurze Antworten. Keine Hinweise darauf, was genau zu dieser Kostenexplosion führen würde, keine näheren Angaben über Ablauf und Richtung des Rituals selbst, keine Stellungnahme zu meinem Blog. Die benahmen sich sehr geheimdienstmäßig.

Höflich sagte ich das Treffen ab, was mir etwas unangenehm war, denn ich hatte ja extra danach gefragt. Ich schlug vor, dass man sich doch auch so einfach mal zu einem Kaffee oder Bier treffen könne, um erst mal zu plaudern. Ich ging ja davon aus, dass die sich nicht nur zu kommerziellen Veranstaltungen treffen würden, denn wer möchte und könnte das schon bezahlen?

Als Antwort erhielt ich zweimal (ich hatte ein weiteres mal inquiriert), dass ich etwas vorschlagen solle.

Mal ehrlich: Was soll das für eine Gemeinschaft sein? Erst machen sie einen auf geheim und plustern ihre Rituale zu Speeddating-Events in der oberen Preiskategorie auf und dann wollen sie von einem Interessierten, dass er der Gruppe, die er nicht einmal getroffen hat, vorschlägt, wann und wo man sich treffen kann? Die wissen alles über mich und ich weiss fast nichts über die. Das kann doch nicht in Ordnung sein.

Noch dazu, wo ich, ganz eitel, davon ausgehe, dass ich eine Bereicherung wäre für alle Gemeinschaften, die mit meinen Aussagen in diesem Weblog konform gehen. Da erwarte ich schon ein wenig Bemühen.

[du bist alleine, mein freund ...]
[Wie bitte?]
[dir sollte doch auffallen, dass niemand mit dir spielen will, wie damals auf dem schulhof]
[Das ist gar nicht wahr! Ich hatte jede Menge Freunde zum Spielen.]
[pfff ... ihr drei wart nur die einzigen ohne freundin und mit langeweile]
[Und wir brauchten die Pausen, um Hausaufgaben abzuschreiben, da bleibt keine Zeit zum Spielen. Ach, das ist doch viel zu lange her ...]
[und? hast du geantwortet?]
[Wem?]
[den sammlern]
[Ach so. Ja.]

Ich schrieb zwei Wochen später eine Einladung via pdf-Datei. Auf der Vorderseite ihr invertiertes Logo und dann in kleinen Lettern:

Hexentreffen auf dem Brocken.
Termin: nächster Vollmond.
Mitzubringen: ein Besen, flugtauglich.
Kekse und Tee werden gestellt.
GPS-Koordinaten:
N 51° 47.947 E 010° 36.936
Achtung, das Ziel ist zu Fuss nicht erreichbar.

Da keiner abgesagt hatte, habe ich lange gewartet, aber tanzte letztlich doch wieder alleine ums Feuer.