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- Veröffentlicht: 21. März 2011
Ostara. Und damit endlich Frühling. Also offiziell.
Innerhalb meiner kleinen Familie haben wir uns eigentlich schon damit abgefunden, dass sich das Wetter ohnehin nicht an unseren Jahreskreis-Kalender hält und tut, was es selbst gerade für richtig hält.
Umso schöner ist es, wenn es dann doch klappt und man zu Jul den glitzernden Schnee mit Fackeln beleuchtet, im Herbst die Blätter und Felder in voller Reife beginnen, rot zu leuchten und die ersten Knospen im Frühling verheissungsvoll spriessen. Je länger ich mich schon mit intuitivem Heidentum beschäftigt habe, desto überzeugender finde ich seine instinktive Kraft.
Es ist alles so einfach zu erklären. Wie die Feiertage, denn wenn mich einer fragt, wieso ich z.B. Ostern feiere, dann sage ich: "Weil mir die Kälte auf den Sack geht und ich mich freue, dass es wärmer wird." - "Wieso die Eier?" - "Weil die jungen Hühner die ersten Eier legen." - "Osterhase?" - "Lecker!"
Es ist fast schon zu einfach.
Die anderen Religionen machen es sich oft sehr schwer, wenn es um Erklärungen geht und müssen (kein Scherz) regelmäßige Seminare abhalten, um zu wissen, wo ihre Religion hin soll. Hexen haben auf diese Frage die Antwort: "Du bewältigst als nächstes die Aufgabe, die vor Dir liegt." Das reicht eigentlich immer, aber nur für Menschen, die ihre Aufgabe ernst nehmen. Wenn es mehr darum geht, lieber die Verantwortung abzugeben und andere arbeiten zu lassen, dann braucht es ein Rahmenprogramm und viele Diskussionen.
Wo ich das Frühlingswochenende verbracht habe? Unter Heiden natürlich. Aber den ganz Harten: den Hell's Angels im Pagan-Lager: Den Asatruis (Wikipedia sagt, das sei die Mehrzahl, bitte korrigieren, wenn falsch). Die Nachfahren der germanischsten der Germanen riefen zum Thing und wir kamen.
Praktischerweise wollten wir unsere neueste Tochter zu dem Zeitpunkt herum den Elementen weihen und den Wesenheiten und Geistern vorstellen. Auch deshalb begaben wir uns in das Ambiente eines neuzeitlichen Things und standen zu Festbeginn, abends um 21 Uhr zwecks Begrüßungsritual auf einem Burghof, erleuchtet von einer Fackel.
Es war eine heidnisch gemischte Gesellschaft, weil manche Hexen und Asatruis sich schon länger kennen und gegenseitig einladen, es gab also keinen Zwang, die komplexe Götterwelt der Asen und Verwandtschaft zu kennen, um teilnehmen zu dürfen. Der Kreis selber war sehr groß, es mußten über 100 Frauen, Männer und Kinder sein, die im Flackerlicht standen und die Begrüßungsrede anhörten.
"... und so entzünden wir eine Fackel für jede der neun Welten."
Ein kaum vernehmbares Murmeln ging durch die Runde. Nicht mehr als ein Hintergrundgeräusch und bei einzelnen Menschen würde es untergehen, aber in der Masse merkte man ein kleines Vibrieren. Es war nach neun Uhr und für alle ein langer Tag gewesen, die Kinder wollten ins Bett, die Eltern auch, bzw. endlich hinter ein kühles Bier. Das Rechnen begann. Ganz langsam wurde die Fackel entzündet, die erste der neun Welten vorgestellt und gemessenen Schrittes dem ersten Fackelträger überreicht. Dieser nahm sie zum Glück ohne Brimborium an. Wir fassten innerlich zusammen: Neunmal eine Minute? Das ging eigentlich. In zehn Minuten würde es dann weitergehen. Das nervöse Scharren und Hüsteln beruhigte sich etwas.
Und wirklich: eine Viertelstunde später brannten alle Fackeln. Es war sehr schön. Wir lächelten uns an, links und rechts, so weit man im diffusen Licht etwas sehen konnte und gerade wollten sich schon alle auf den Weg in die Scheune machen, als der Sprecher wieder mit fester Stimme das Wort ergriff: "Und jetzt wollen wir uns, nach altem Brauch, gegenseitig vorstellen. Dafür sende ich dieses Horn hier herum und jeder kann etwas zu sich und/oder dem Thing sagen."
Stille. Vereinzelt ein Einatmen durch die geschlossenen Zähne. Es begann wieder das Rechnen und diesmal fiel es nicht so positiv aus: 120 x 20 Sekunden (im Schnitt) plus Verteilzeit. Ein paar der Eltern ließen aus Schreck ihre Kinder los, welche die Gelegenheit sofort nutzten, um wie von der Tarantel gestochen im Kreis hin- und herzulaufen und die feierliche Stimmung aktiv aufzulockern.
Es war dann zwar doch sehr interessant, einmal alle etwas kennenzulernen, aber es dauerte tatsächlich fast eine Stunde lang, bis der letzte des Kreises aus dem gewaltigen Methorn trank.
(Notiz am Rande: Ich bin da zwar nicht so empfindlich, aber unvorbereitete Gemüter, die uns noch nicht bei Tageslicht gesehen hatten, könnten sehr irritiert gewesen sein, dass jede der einzelnen kurzen Ansprachen mit einem kollektiven "Heil!" oder "Heil Ostara!" beantwortet wurde. Da mag das noch so altes Brauchtum und eigentlich gar nichts Böses sein, aber Fackeln und Heil-Rufe sind für mindestens noch zwei Generationen eine Kombination mit fiesem Beigeschmack. Da sollten die Asatruis doch noch mal kurz drüber nachdenken, finde ich.)
Letztendlich haben wir uns dann doch noch ganz wunderbar unterhalten, das Feiern bis spät in die Nacht ließen wir aber sein, zu Gunsten eines frühen Frühstücks. Ich persönlich finde es schön, dass die anderen auch endlich alt geworden sind. Alleine morgens durch die Flure zu streifen und zwischen leeren Flaschen und Schnarchgeräuschen zu wandeln, war immer ein wenig deprimierend.
Nachmittags schien die Sonne durch die noch kahlen Äste, die Vögel sangen und wir feierten eine wunderschöne Lebensleite. Meine Tochter war auch sehr angetan, besonders von den vielen kleinen Geschenken, den schönen Gedichten und Versprechen und hat kaum gemeckert.
Zu diesem Ritual war die Mathematik aber auch einfacher: Zwölf Erwachsene, drei Kinder, eine Welt.
("Aber 14 Fackeln!" sagte einer der Gäste und lachte wegen meines erschrockenen Gesichtausdrucks. Aber neenee, Fackeln waren nicht nötig.)
[geizkragen!]
[Was?]
[die asatruis haben jede menge met für uns verschüttet, von euch bekamen wir einen klitzekleinen spritzer]
[Hattet ihr vom Vortag denn noch nicht genug? Und in der Früh? Da haben sie eine ganze Schüssel mit Met für euch hingestellt.]
[aber ihr nicht]
[Ihr seid gierig!]
[besser als geizig]
[Warum folgt ihr eigentlich einem billigen Klischée und verehrt Alkohol? Wäre es nicht viel praktischer, wenn ihr eure ganze Leidenschaft verschüttetem Erdöl widmen würdet? Davon wird ständig jede Menge "geopfert".]
[das ist absurd, wo ist denn da das opfer?]
[Ich kann aber auch nicht in Gegenwart meiner Kinder Lebensmittel einfach auf den Boden werfen und sie andererseits dann dazu auffordern, Verschwendung zu meiden, wie der Teufel das Weihwasser.]
[das ist nicht unser problem]
[Na toll und was soll ich jetzt machen?]
[ihr habt doch noch eine flasche met übrig, oder?]
[Vergiss es.]