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- Veröffentlicht: 08. Mai 2019
Im Rahmen einer Schulungsmaßnahme durfte ich einem kurzen Vortrag beiwohnen, der über unseren Umgang mit Gefühlen geht.
Welche Arten gibt es?
Soll man Gefühle zulassen?
Wie geht die Gesellschaft damit um?
Es begann mit der banalen, aber wichtigen Feststellung, dass es angenehme und unangenehme Gefühle gibt. Sie wurden von der Evolution entwickelt, damit wir als Gesellschaft besser zusamenarbeiten können.
Jedes Mitglied unseres Stammes soll erkennen können, wie es uns geht.
Die steile These, die dann kam, störte mich, zuerst wusste ich nicht, warum:
Wenn wir unsere Gefühle nicht oder falsch ausdrücken, dann bedeutete das früher in Stammesgesellschaften unseren Tod, weil wir verstoßen worden wären und alleine nicht überleben hätten können.
Und auch heute sei es für unseren sozialen Nutzen schlecht, wenn wir mit unseren Gefühlen nicht so umgehen, wie die anderen es erwarten.
Das ist Psychologen-Hippie-1x1. Aber stimmt es auch?
Wieso stelle ich mir sofort vor, wie ich als einziger in der Höhle zurückbleibe, während die anderen Männer alle ihrem Drang nach Vergeltung folgen, den Nachbarstamm angreifen und sterben? Danach tröste ich die Witwen und meine zahlreichen Nachkommen werden vielleicht genauso kontrolliert reagierende Feiglinge wie ich? Hier hätte es sich gelohnt, den Erwartungen der Gesellschaft zu folgen, denn meinem Gefühl/Instinkt nachzugeben, war doch recht riskant.
Was ist denn jetzt wahr? Gefühle zeigen: Ja oder Nein?
Das Ergebnis meiner Überlegungen: Es ist komplett falsch, jemandem zu raten, seinen Gefühlen nachzugeben, in unserer heutigen Gesellschaft mehr denn je. Es wird erwartet, dass man sie kontrolliert verwaltet.
WAS passiert denn, wenn man in der Öffentlichkeit weint oder schreit?
Oder WIE reagiert die Gesellschaft, wenn jemand ohne erkennbaren Grund Freude zeigt?
Oder WENN man sein nervendes Kind anschreit oder sich etwas NICHT gefallen läßt und auffällig wird?
> Dann ist aber Polen offen, wie Stromberg sagen würde. (Der übrigens auch ein Feelings-Issue hat.)
Oben waren zwei Worte versteckt die alles widerlegen, was ich in diesem Vortrag hören musste: "Erwartung" und "auffallen".
Wir alle leben jeden Tag damit, die Erwartungen der anderen zu erfüllen und bloß nicht aufzufallen. Sonst antwortet die Gesellschaft mit Repressalien.
Die heutige Jugend hat es damit besonders schwer, kommt mir vor: Keiner traut sich, aus dem Trend zu fallen, der immer wie ein Lauffeuer durch das Internet schwappt und wer dann nicht sofort angepasst ist, der muss mit Shaming und Blaming rechnen. Wegen der sozialen Medien und der Händipräsenz ist die Angst vor dem Pranger größer denn je. Denn du wirst ein Stigma NIE wieder los und trägst es ÜBERALL hin mit!
Das ist ein schrecklicher Terror.
(Und plötzlich tragen alle keine richtigen Socken mehr, sondern zeigen ihre Knöchel. Warum? Weiss keiner ...)
Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr reagiere ich darauf mit Wut, Verzweiflung und einem Gefühl der Machtlosigkeit.
Schon vor einer Generation gab es den Spruch: "Wie können wir unseren Kindern sagen, dass Drogen schlecht für sie sind, wenn wir doch genau wissen, dass sie die perfekte Lösung sind für all ihre Probleme?"
Das trifft heute mehr denn je zu. Sich öffentlich preiszugeben und alles um einen herum zuzulassen, ohne Betäubung ... das können nur wirklich starke Menschen.
Oder Irre.