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- Veröffentlicht: 31. Januar 2019
In Deutschland sterben bekanntermaßen erheblich mehr Menschen im Straßenverkehr, als an Gewaltverbrechen.
Mit ein wenig gutem Willen wäre das leicht in den Griff zu bekommen: Tempolimit, Verbot von Geländewägen in Städten, Steuerabgaben nach Tonnage gestaffelt.
Das ist in Deutschland aber leider nicht durchzusetzen, weil unsere Politiker dämlich und feige sind und die Autofahrer zunehmend aggressiver und asozialer werden.
Ich fahre nicht mehr gerne Auto und wenn, dann bin ich sehr vorsichtig. Da die Autos immer größer, leiser, länger und breiter werden, fällt es den Lenkern anscheinend immer schwerer, sich an die Regeln zu halten.
Sie fahren in Straßen tief ein, da sie sonst nichts sehen können, blinken nicht, hupen ständig, schreien sich an, parken in zweiter Spur und sind bestenfalls nur beleidigend, wenn man darauf hinweist, wenn nicht gar handgreiflich.
Das macht doch keinen Spaß mehr.
Unlängst ist hinter mir so'n Typ hergefahren, der mit einem viel zu geringen Abstand wohl darauf hinweisen wollte, dass er nicht einverstanden war, wie ich mich ans Tempolimit halte. Als dann von rechts ein goldener Geländewagen viel zu weit in meine Straße einfuhr, musste ich bremsen und er natürlich auch. Der Typ hupte, regte sich auf, ich fuhr weiter, als ich merkte, dass genug Platz vor mir frei war. Der Heiopei raste in der Folge hinter mir her und hat wohl parallel dazu die Polizei informiert, dass ich sehr auffällig führe und die möchten mich bitte dringend abfangen. Das weiß ich deshalb, weil ein paar Straßen weiter tatsächlich drei Streifenwägen und sechs Polizisten mich aus dem Verkehr zogen, als wäre ich mit einem LKW auf einen Weihnachtsmarkt zugerast.
Jetzt sind die Polizisten in Deutschland ja wirklich sehr korrekt, höflich und belastbar. Sie wiesen mich darauf hin, dass ihnen gemeldet worden sei, dass ich aufgefallen bin und sie müssten mich untersuchen. Ich war einverstanden, denn ich sehe es ja auch ein, da mein Äußeres (lange Haare, schwarzer Hoodie) und das Auto (schwarz, Pentagramm-Aufkleber) nun einmal Klischees in den Köpfen triggert. Fast schon zu zuvorkommend forderte mich der Schrank von einem Beamten auf, zwecks Transport im Polizeiauto mich nach Waffen untersuchen zu lassen. Sie fanden mein Taschenmesser am Gürtel und versuchten, mich zu entwaffnen.
Einwurf: Die Innenminister Deutschlands und ich liefern uns einen rechtlichen Wettstreit, der mich an das Reizen beim Skat erinnert. Ich beginne, indem ich mir ein Messer kaufe. Dann kommt der neue Innenminister Deutschlands und verbietet als erste Aktion eine bestimmte Formgestaltung von Taschenmessern, weil dann die Verbrechensrate gleich abnehmen wird. Denkt er.
Ich stecke meinen nunmehr verbotenen Gegenstand in die Schublade, gehe in den Laden und kaufe mir ein aktuell legal tragbares Messer. Denn ich finde es grundsätzlich großartig, etwas zum Schneiden dabei zu haben, das braucht man echt oft. Mein Plan dabei ist nicht, mich damit in den Kampf zu begeben. Für letzteres bin ich zu gut ausgebildet und zu vorsichtig. Dieses innenpolitische Ritual ging von Springmesser über Butterfly, Faustmesser und schließlich Einhandmesser (jetzt haben sie mir schon das Messer verboten, das meine Frau mir zur Hochzeit geschenkt hat, ein kleines Spyderco).
Erlaubt ist zur Zeit: feste Klinge, unter 12 cm. Das habe ich mir gekauft und dem Verkäufer den Schwur abgenommen, dass ich mich damit momentan im legalen Bereich bewege. Außer bei Demos und Versammlungen wie Konzerten, darf ich es ständig am Körper tragen. Das ist ein total leichtes, kleines Minimalmesser mit 5cm Klinge, quasi nur ein gestanztes Stück Metall.
Zurück zur Straße: Das Messer steckte am Gürtel, zwei Beamte bekamen es nicht aus der Scheide (da man das Messer ja nicht mehr mit einer Hand öffnen/ziehen können darf, werden die Verschlüsse immer komplizierter). Nach ein paar Versuchen sagte ich: "Darf ich ihnen das Messer geben? Ich tue ihnen auch bestimmt nichts...", griff hin, hebelte es mit einem Griff ab und reichte es dem Beamten. Der fragte: "Haben Sie noch ein Messer oder einen spitzen Gegenstand?", worauf ich zurückfragte: "Wofür sollte ich mehr als ein Messer brauchen?", er tadelnd: "Wofür braucht man überhaupt ein Messer?", ich wieder: "Zum Schneiden."
Als der ganze Zirkus auf der Wache nach einer Stunde vorbei war und ich gehen durfte, wollte ich mein Werkzeug wieder haben, wurde aber belehrt, dass es zwecks Einschätzung zum Kommissariat gehen würde, ich werde benachrichtigt.
Später habe ich auf dem Zettel, den ich unterschreiben habe dürfen, gelesen, dass es sich bei meinem eingezogenen "Beweismittel" um einen "Schlagring mit Klinge" handeln würde.
Wochen später durfte ich auf das Kommissariat, mir das Messer doch abholen. Der zuständige Sachbearbeiter meinte, dass es sich um völlig "okayes Messer" (Originalton) handelt und ich es wiederhaben dürfe.
Der Mann war schwer in Ordnung, denn wir alberten dann noch rum, dass die jungen Strassenpolizisten oft ein wenig mehr in bestimmte Situationen hineininterpretieren, als die erfahrenen Kollegen.
Wir sprachen von Teppichmessern (übrigens auch einhändig bedienbar und Klinge durchaus über 12 cm, aber ich sag ja nix ...), die seien "mechanische Lichtschwerter aus Metall, lautlos" und mein Favorit: "urban einpersonig steuerbare Minimalpanzer" für SUVs.
Das war witzig. Und das habe ich nur einem frustrierten Arschloch zu verdanken, das zu blöd ist Autozufahren und denkt, er muss mich aus dem Verkehr ziehen.
Das hat nicht geklappt, aber mich in zwei Überzeugungen bestärkt: Es gibt unfassbar viele Leute, die gerne ihre Lebenszeit nutzen, um andere Mitmenschen unnötig zu ärgern (siehe auch Kommentatoren im Weltnetz) und dass wir Glück haben, in einem Land mit einer so kompetenten Polizei zu leben.
Pü ...