Zu meinem Beitrag, in dem ich schrieb, dass mein Sohn aus Betreuungsgründen in die katholische Schule muss, kam dankenswerterweise ein Kommentar, der mich zu einer längeren Antwort inspiriert:

"Kann er dann wenigstens in die konfessionslose Richtung wechseln, wenn er alt genug ist, ein Schlüsselkind zu sein?"

Dazu gibt es zwei Sichtweisen: Entweder man möchte sein Kind von allen "fremden" Einflüssen fern halten, damit es nicht selbst zu viel nachdenken kann und brav funktioniert, wie von den zwölf Feen vorgesehen oder man versucht es auf die Welt mit ihren vielen Aspekten vorzubereiten. Beides hat Vor- und Nachteile.

Wir Hexen sind nur sehr wenige, besonders wenn ich die Esoterik-Freaks, die mit Engeln sprechen und/oder Wasser energetisieren etc., herausrechne.
Unsere Lehre ist sehr kompliziert und bietet kein Belohnungssystem.
Obendrein sind Treffen schwierig, wegen der geringen Dichte an Ritual-Personal.
Wenn man also seine Kinder nicht schon von Anfang an mit spröder Wicca-Liturgie langweilen möchte, dann beschränkt sich unsere Einführung in die Hexenkunst auf: "Nimm Dir Zeit an den Rosen zu riechen und wirf keine Müll in die Natur." Und wenn man dann noch ein wenig Nächstenliebe einstreut (das haben die Christen nicht erfunden, das gab es immer schon), dann gibt es nicht viel Unterschied zwischen katholischem und heidnischem Unterricht.

Es ist jetzt nicht so, dass der katholische Unterricht meinen Sohn zwingt, vor dem Kreuz zu knien und 100 Vater-Unser zu beten oder sich mit einer Geissel blutig zu schlagen, weil er irgendetwas begehrt, das geht ja spielerisch los: Singen, klatschen und Geschichten über ein fernes Wüstenvolk zu hören, ist doch nett, denke ich.

Wir haben jedenfalls keine Angst davor, dass er gehirngewaschen wird und zu den Christen gelockt wird, dafür ist der christliche Glaube viel zu unlogisch und unangenehm.
Junge Menschen würden von sich aus NIE auf die Idee kommen, diesen endlos langweiligen Gottesdienst zu besuchen oder einen jüdischen Zimmermann anzubeten, weil der so nett gestorben ist. Das machen die nur, weil sie keine Alternative kennen. Deswegen treten ja so viele frustrierte Suchende später aus und kommen zu den Heiden, wobei ich keinen einzigen umgekehrten Fall kenne, also dass eine Hexe zu den Christen bekehrt wurde.

Die Kinder wegzusperren um zu verhindern, dass sie schädlichen Einflüssen ausgesetzt werden, lässt sie wohl kaum zu reifen Erwachsenen werden.

Andererseits ist es wesentlich mehr Arbeit, immer alle zu lernenden Aspekte vermitteln zu wollen:
Mir fehlt in der Schule meines Sohnes natürlich die neutrale Sicht auf alle Religionen. Er lernt zwar, wie die Christen die Welt und ihre Geschichte sehen, aber er hat auch drei muslimische Mitschüler, von deren Religion er nichts hören würde, wenn wir ihm unser Halbwissen darüber nicht vermitteln würden.
Jede Antwort auf seine Fragen wirft neue Fragen auf und wir kommen irgendwann nicht mehr weiter.

Beispiele:

"Papa, die Christen machen schon wieder Krach!"
"Das sind nur die Kirchenglocken, die läuten hin- und wieder."
"Wieso dürfen die so laut sein?"
"Gute Frage. Ich glaube, weil es eine Zeit gab, wo in Deutschland nur Christen gelebt haben?"
"Wieso waren da nur Christen?"
"Die haben alle anderen Menschen getötet."

Uuups.

"Papa, wieso darf Mohammed kein Schweinefleisch essen?"
"Als die früher in der Wüste gelebt haben, gab es keine Kühlschränke, da war es sicherer, anderes Fleisch zu essen. Schweinefleisch wurde irgendwie schneller schlecht."
"Mohammeds Familie hat aber einen Kühlschrank, das habe ich gesehen!"
"Die Regel haben die eben übernommen, warum auch immer. Ich glaube, die großen Religionen müssen immer irgendetwas verbieten, sonst denkt niemand, dass sie es ernst meinen."
"Was dürfen die Christen denn nicht?"
"Die dürfen zum Beispiel nicht lügen."
"Boah, der Simon hat letztes Mal wohl gelogen, das sage ich ihm!"
"Nein, bitte tu das nicht, wir wollen uns nicht einmischen, wie andere ihre Religion behandeln."
"Dann können die tun, was sie wollen?"
"Dafür kommen die in die Hölle."

Doppel-Uuups.

Kinder von fremden Religionen fernzuhalten, hat Vorteile. Zumindest sie so formbar sind und die Welt unverständlich.

Da aber in den meisten Familien die Eltern die obersten Autoritäten sind, wenn es um Ausübung des eigenen Glaubens geht und gerade in der Kleinkindphase die Söhne und Töchter nichts lieber wollen, als den Eltern zu gefallen, kann man es gerade da noch riskieren, ihnen den Unterschied zwischen den theologischen Sphären zu vermitteln, noch bevor sie sich aus Trotz darauf stürzen.

Uns ist nur eines wichtig und das kann ich nicht oft genug sagen: Ich möchte lediglich, dass niemand meinem Sohn sagt, er sei etwas Schlechteres und er soll nicht behaupten, er sei etwas Besseres. Wenn das alle so machen würden, wäre die Welt ein besserer Ort.

Jetzt wäre eigentlich die Stelle, wo ich bedauernd darauf hinweisen sollte, wie schade es ist, dass wir Hexen/Heiden so schlecht organisiert sind und weder Schulen, noch Begegnungsstätten, noch Pressesprecher haben, aber das weiss eh jeder, der hier liest und es wird auch nix ändern. Trotzdem sehr schade, das.