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- Veröffentlicht: 28. Mai 2009
Achtung! Dies ist ein rechtsphilosophischer Eintrag ohne Anspielung auf Magie und ohne Pointen. Wen das nicht interessiert, den verweise ich gleich auf den letzten Absatz, der enthält die Quintessenz.
Da ich aber immer wieder sage, dass Hexen sich auch mit unserer Gesellschaft und dem offiziellen Leben befassen sollten, so würde ich mich freuen, wenn jemand das hier liest, darüber nachdenkt und versteht. Sonst stellen wir uns auf eine Stufe mit unseren Politikern, die keine Ahnung von Politik oder Wirtschaft haben, weil sie Lehrer oder Arzt gelernt haben (beides ehrenwerte Berufe, aber ich lasse mein Pferd nicht von einem Bäcker beschlagen) und das will keiner.
Mein Gerechtigkeitssinn nimmt schon fast obsessive Züge an. Ungerechtigkeit schockiert mich im wahrsten Sinne, denn dann geht mein Blutdruck hoch, die Wangen werden rot, mein Kopf hört auf, klar zu denken und ich könnte manchmal heulen.Recht und Gerechtigkeit sind, wenn man darüber nachdenkt, Werte, die entgegen der menschlichen Natur sind. Ohne Zwang würden wir sie ignorieren und nur unseren Vorteil suchen. Es ist deshalb für jedes Land ein Riesenakt, alle Fürsten an einen Tisch zu bringen und sie davon zu überzeugen, dass es besser für sie ist, auf ein paar Privilegien zu verzichten, um allen ein angenehmeres und sichereres Leben zu ermöglichen. Das hat immer nur mit der Androhung von Gewalt funktioniert.
Und auch nur so konnten sich die Christen in den Herrscherhäusern durchsetzen, denn die alten Götter und Bräuche aufzugeben, war nur dann reizvoll, wenn die einzige Alternative war, gefoltert, getötet und enteignet zu werden. Dies betraf natürlich nur die Fürsten, denn diejenigen, die nichts zu verlieren hatten, ließen sich leichter mit anderen Ideen, meistens leeren und haltlosen Versprechungen ködern.
Schon damals war es nicht wichtig, Positionen zu beziehen, sondern zu besetzen.[1]
Gerechtigkeit, wie ich sie verstehe, heißt, dass alle ihr unterworfenen Menschen dem gleichen Recht unterliegen. Ausnahmen müssen immer per Gesetz aufgeführt werden und sollten wohl überlegt sein. Je mehr Ausnahmen, desto durchlöcherter ist die Rechtssicherheit, bis nichts mehr davon da ist. Dann fängt die kindliche Fragerei an: „Wieso darf der das und ich nicht?“
Je simpler die Formulierung, desto gerechter. Im Grunde könnte unsere Verfassung auch lauten:
1. Alle Bürger haben die gleichen Rechte und Pflichten.
2. Kein Bürger darf einem anderen ohne höheren Grund Schaden zufügen.
3. Jeder Bürger muss den anderen so weit wie möglich helfen, glücklich zu werden und zu bleiben.
Mehr braucht es nicht. Da ist alles drin. Dass wir so viel mehr an Gesetzen und Verordnungen haben, liegt daran, dass jeder versucht, aus diesem Grundkonsens das Beste für sich herauszuschlagen. Der ALDI sagt, dass die Kunden nicht 5 Cent mehr für einen Liter Milch ausgeben wollen und dann keine Milch kaufen könnten, die Bauern sagen, sie brauchen aber 20 Cent mehr, damit sie Futter für die Kühe kaufen können. Dass es ALDI in Wirklichkeit darum geht, ein paar 1000 Euro mehr in die Kasse zu spülen und die Bauern in Wahrheit ihre überdimensionierten Kredite zurückzahlen müssen, ist der Hintergrund. Da aber keiner nachgeben will, aus Angst, zu verlieren, streitet man halt. Dass es für die Konsumenten ohnehin gar kein Problem darstellen würde (wir zahlen für jeden Mist hier und jeden Dreck da hunderte Euro im Monat, dann sollte das bei guten Lebensmittel nicht schwer sein), auch 30 Cent mehr für die Milch zu zahlen, ist irrelevant.
Wenn ich meinem Sohn aus einem gebogenen Ast, einem Gummi und einem Luftballonhalter einen Bogen bastele, dann möchte meine Tochter natürlich auch einen, obwohl sie weder weiß, was sie damit machen soll, noch, wie man es macht. Es scheint also menschlich zu sein, immer haben zu wollen und nur unter Zwang zu geben. Dass wir heute manchmal anders sind, ist der Effekt von Konditionierung und Sozialisation.
Jeder Staat dieser Welt erhebt für sich den Anspruch, eine Verfassung zu haben und innerhalb seiner Grenzen ein zivilisierter und gerechter, auf Vernunft basierender Rechtsstaat zu sein. Nicht jeder Staat hat dieselben Rechte, weil die Menschen und die Bedingungen immer andere sind. Was für die einen gut ist, ist für die anderen vielleicht nicht geeignet. Ich bin mir sicher, es gibt auf Kisuaheli kein Wort für den "Krümmungsgrad" einer Banane.
Da es so schwierig war (siehe oben) einen Konsens im eigenen Volke zu finden, glaubt jeder, seine Gerechtigkeit ist besser als die der anderen, ob das nun stimmt oder nicht. Die USA denkt von sich, ein gerechtes Wahl- und Rechtssystem zu haben, obwohl die ganze Welt weiß, dass dort ein Freispruch erkauft werden kann und jemand gewählt wird, obwohl er nicht die Mehrheit der Stimmen hat. Da das aber nicht unser Land ist, haben wir das nicht zu kritisieren. Da sollen die selber mit klar kommen.
Es ist an sich in Ordnung, andere Staaten mit dem Näschen anzustubsen, in Richtung einer Lösung für ihre offensichtlichen Probleme. Das kann aber auch mal sehr falsch wirken, denn das Taliban-Übel wird sicher nicht dadurch behoben, dass man dem Land die US-amerikanischen Grundpfeiler Heuchelei, Alkohol, Pornos und Fernsehflut zur Verfügung stellt. Da muss man schon mal Rücksicht auf Gepflogenheiten und Brauchtum des Landes nehmen. Besser als ich erklärt das der Herr Rether hier.
Worauf will ich hinaus?
Es ärgert mich, wenn die Staaten nach innen hinein den Anschein einer reifen Zivilisation erwecken, als Völkergemeinschaft am großen Tisch sich dann jedoch benehmen, wie Kinder in einem Sandkasten, wenn die Eltern gerade mal weggucken. Einerseits haben wir alle einen ach so großen Standard, was Gerechtigkeit angeht, andererseits glauben manche besser zu sein, als andere und denken, sie dürfen alle Förmchen an sich reißen.
Atombomben zu haben, ist an sich ja schon fürchterlich dumm, denn sie sind zu nichts nutze, außer zu verhindern, von den USA als Schurkenstaat klassifiziert zu werden. Hast Du erst einmal die Bombe, dann ist man auf einer Ebene mit den anderen Prolls, die die Förmchenhoheit haben. Hätte Hussein wirklich WMD gehabt, dann hätten die USA ihn niemals angegriffen, sondern einen anderen Prügelknaben in den Schrank gestellt.
Mit welcher Begründung aber verbietet man einem souveränen Staat, Atombomben zu entwickeln, wenn man selber über 5000 in der ganzen Welt stationiert hat? Man kann doch nicht jemandem etwas verbieten, das man selber bis zum Exzess betreibt. Diese Einstellung ist so offensichtlich dumm, dass jeder denkt, da müsse was dran sein. In Wahrheit ist es nur eine Riesen-Heuchelei!
Entweder es darf jeder Staat Atombomben entwickeln, oder keiner. Allenfalls könnte man jede Unterstützung verweigern oder Handelsembargos beschließen, weil man sauer ist (meine Kinder nennen das kurz „Kein Freund!“), aber es verbieten, das ist falsch, im kleinen, wie auch im großen Sandkasten, unserer Mutter Erde. Das sagt doch schon der kategorische Kant und sein Imperativ. Aber wenn die Welt nicht auf den hört, warum sollte mein Sermon dann etwas ändern? Egal, ich wollte es mir einfach mal gesagt haben und jetzt fühle ich mich ein gutes Stück näher am Nirvana.