TOD: "Wie war Dein Urlaub?"

Ich: "Schön. Ich würde nur gerne fliegen können."

TOD: "Wie ich Dich kenne, meinst Du nicht das Flugzeug?"

Ich: "Nein, wirklich abheben und auf den Berg schweben, anstatt zu gehen. Wofür haben die Menschen Pferde erfunden, wenn sie Jahrtausende später in knallbunten, zu engen Shorts uniformiert und mit Teleskopstöcken bewaffnet, enge Ziegenpfade den Berg hinauf stolpern, sich dort umsehen und wieder runterwackeln?"

TOD: "Ich habe gehört, dass das dem labilen Organismus der Menschen dienlich sein soll..."

Ich: "Jaja, blaaa ..."

Ich lehne mich zurück in meiner Liege im Schatten und nippe an dem schlammbraunen Cocktail, der neuesten Kreation meines Gesprächspartners. Häßlich aber lecker.

Eine Weile genießen wir die Stille.

Ich: "Und weißt Du, was ich noch weniger verstehe?"

TOD: "Chinesisch?"

Ich: "Harr, der Witz ist soo 80er Jahre. Nein, ich meine, warum setzen sich die Leute nur so kleine Ziele und wieso sind sie damit zufrieden?"

TOD: "Mit weniger zufrieden zu sein ist billiger, beim selben Ergebnis."

Ich: "Auch wieder wahr."

Abwechselndes Schlürfen und entspanntes Seufzen. Dieser Sommer ist bisher einfach wunderbar. Nicht so heiss wie die vorhergehenden, Regen, Wind und Wolken an der richtigen Stelle und ein Versprechen auf einen noch schöneren Herbst.

TOD: "Aber das hattest du nicht gemeint, richtig?"

Ich: "Natürlich nicht. Aber ich denke wohl anders als die anderen."

TOD: "Echt? Kann ich gar nicht glauben ..."

Ich: "Mich treiben nur große Endziele voran. Repetitive Tätigkeiten ohne ein würdevolles Ergebnis fließen an meiner Motivation ab, wie Wasser an einem Lotusblatt. Vielleicht ist das ein Defekt?"

TOD: "Geh zum Arzt? Und was ist schon 'würdevoll'?"

Ich: "Ich nehme die härteste Anstrengung auf mich, wenn das Ziel sich nachhaltig lohnt, erreicht zu werden. Da ich Französisch in meinem Beruf seit 10 Jahren schon nicht gebraucht habe, denke ich gar nicht daran, Kurse zur Auffrischung zu besuchen, zum Beispiel. Und wofür soll ich mich im Disneyland 4 Stunden anstellen, um dann 1 Minute im Kreis zu fahren? Oder viele Stunden meines Lebens mit dem Aufbau nie eingesetzter Muskeln zu verbringen? Und ..."

TOD: "... warum leben, wenn man eh sterben wird? Korrekt?"

Ich: "Ähm. So weit würde ich nicht gehen. Hier schiebe ich meine Kinder vor, die waren der Grund, wofür ich bisher gelebt und gearbeitet habe. Ich würde sogar so weit gehen, ein Menschenleben, das keinen Nachwuchs hinterläßt, als ein vergebenes zu bezeichnen. Dieses eine wichtige Ziel habe ich schon mal erreicht. Jetzt muss ich noch dafür sorgen, dass mir die niemand kaputt macht."

TOD: "Mach das. Noch einen 'Schlamm'?"

Ich: "Na klar!" Ich reiche mein Glas rüber. "Das ist zum Beispiel eine wunderbare Kosten-Nutzen-Relation: Ich trinke, tue also etwas, was nicht anstrengt und ohnehin getan werden muss und werde auch noch wohlig betrunken. Habe ich Dir schon erzählt, dass ich jetzt anfangen werde, mein eigenes Bier zu brauen?"

TOD: "Schöne Idee. Lohnt sich das denn?"

Ich: "Bezweifle ich stark. Ich will nur wissen, ob es geht." Ich sehe ihn mit überraschter Miene an. "HA! Anscheinend bin ich doch normal. Befriedigung von Neugier rechtfertigt jedes Mittel. Das ist zutiefst menschlich. Wahrscheinlich bin ich nur schnell gelangweilt. Das kenne ich von meinen Kindern. Cool ..."

TOD: "Wandern die denn gerne?"

Ich: "Und wie ... vor allem mein Sohn ist den Berg hoch- und runtergerannt, als bekäme er Kilometergeld. Ich aber musste die ganze Zeit an Prinz Eisenherz denken, der in einer Folge die Alpen überqueren muss. Im Winter. Im Röckchen. Der hat nie Hosen an und zum Überwerfen nur ein paar rohe Gemsenfelle. Die Gefahren und die Anstrengung der Überquerung nahm er nur auf sich, weil er unbedingt zu seiner Familie will und außerdem, so nebenbei, den Untergang Roms aufhalten möchte. Mein Ziel hingegen war ein Wurstbrot auf einer Holzbank."

TOD: "Du denkst zu viel nach. Laß Dich mal treiben."

Ich: "Und weißt Du was lustig war? Um meine Tochter zu motivieren haben wir zusammen laut: 'Das Wandern ist des Müllers Lust' gesungen. Und ebenda wurden wir von einer eiligen Touristen-Familie überholt, wobei der sehr unlustig dreinblickende Junior das DFB-Nationaltrikot vom Müller anhatte. Das fand ich sehr erheiternd."