Dürfen wir bösartig sein, dürfen wir hassen und Vergeltung fordern?

Ich beschäftige mich oft mit dem Themenbereich Gewalt und Brutalität, weil ich hin und wieder dieses gnadenlose Raubtier fühle. Manchmal sehe ich rot und denke, in der Lage zu sein, selber anderen weh zu tun. Und dabei habe ich in meinem Leben nie wirklich kämpfen müssen. Es ist mir eigentlich immer irgendwie alles Gute zugeflogen und vor dem Üblen bin ich weggelaufen.

Rincewind, der Antiheld von T. Pratchett ist seit jeher mein großes Vorbild. Er sagt, es ist nicht wichtig, vor wem man wegläuft, sondern dass man es tut. (He, who runs, lives to run another day.)

Trotzdem spüre ich es in mir und gerade, wenn es um meine Kinder geht, da kann ich nun mal nicht wegrennen. Ich muss mich mit dem inneren Tier auseinandersetzen. Wenn man darüber nachdenkt, wie viele Menschen sich weltweit in der x-ten Generation hassen und schon gar nicht mehr wissen, wieso, dann komme ich ins Grübeln.

Sehr weit sind wir halt noch nicht von den Schimpansen-Junggesellen entfernt, die man in Tierdokumentationen sieht. Die stehlen, quälen, vergewaltigen, ohne, dass sie auch nur ein Killerspiel gezockt hätten oder an einer Berliner Hauptschule mit Migrationshintergründlern konfrontiert gewesen wären. Die machen das ganz von selber. Und das sehr erfolgreich. Ich habe mal gelesen, dass der Homo Sapiens den eigentlich überlegenen Neandertaler nur deshalb verdrängt hat, weil er fieser und hinterlistiger war. Auflauern, erschrecken, im Rudel angreifen, Fallen stellen, in diesen Bereichen war er überlegen.

Ich war mit meinen Kindern jetzt zum ersten Mal angeln. Die haben sich gefreut wie kleine Pinseläffchen auf Speed und die ganze Zeit hat vor allem mein Sohn in einem fort davon gesprochen, wie er die Fische mit seinem neuen Messer aufschneidet, das Blut rausrinnen läßt, die Augen ausschneidet und dann das Fleisch löst. Ich bin mir recht sicher, dass das bei „Heidi“ nicht vorkam und auch bei seinem Lieblingsspiel „Bibi und Tina auf dem Reiterhof“ ging es friedlicher zu. Im Kindergarten schießen die eher abstrakt mit Pistolen und Kanonen. (Das kann man nicht verhindern, das schleicht sich ein wie Heroin im Knast und wenn man fragt, kann niemand sagen, welches der Kinder damit angefangen hat.) Wieso er so ist, kann ich nicht rational erklären.

Wir müssen also akzeptieren, dass Kinder schon von früh an, ohne unser Zutun, äußerst gewaltbereit und –willig sind. Vor allem, wenn sie zwei Dinge noch nicht kennen: Schmerz und Angst. Das sind zwei wichtige Regulatoren, die mensch erst lernen muss, damit wir uns nicht in Gefahr begeben. Kinder verstehen ja auch nicht, wieso man auf der Straße gucken muss, weil sie Autos als nicht gefährlich betrachten. Sollte ich recht haben mit dieser Betrachtung, dann verstehe ich, wie man Kinder zu gewissenlosen Killermaschinen mutiert, was traurigerweise auch gemacht wird, bei Kindersoldaten oder in mafiösem Umfeld.

Unsere Aufgabe als menschliche Gemeinschaft, wenn wir sie akzeptieren wollten, ist es, diese Gewaltbereitschaft zu kanalisieren, wenn sie schon mal da ist. Wegzaubern können wir die nicht. Vor allem männliche Kinder zerquetschen Käfer, treten Tauben, beobachten ungerührt eine Schlachtung, stehen auf Waffen, so viel ist klar. Solange sie noch kein Mitgefühl und Gewissen entdeckt haben, gibt es die Möglichkeit, zu polarisieren, in Geschichten von Helden und ähnlichem. Weiters, indem man den Unterschied zwischen Gut und Böse immer wieder hervorhebt, dass es also gute und schlechte Gewalt gibt.

Damit tue ich mir schon schwer. Ich komme eher aus der „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“-Schicht. Außerdem ist es wohl wirklich wichtig, Kinder vorsichtig mit den oben genannten Idiotie-Regulatoren zu konfrontieren, sie müssen Angst davor haben, sei es, weil sie den Schmerz fürchten oder weil die Polizei sonst „schimpft“. Auch das hätte ich früher abgelehnt, denn Angst hielt ich für überflüssig.

Das ist eben auch Teil der Naturreligion: Unser eigenes inneres Tier kennenlernen und im Zaum halten. Die Iflulus (In-Friede-Licht-und-Liebe-Unterschreiber) sind unter dem Gesichtspunkt ein weltfremder Haufen, denen ich nichts anvertrauen würde, das mir wichtig ist. Weder mein Wohl, noch das der Welt, weil sie entweder nicht wissen, was sie sind oder es verleugnen. (Naja, vielleicht sind es ja wirklich Atlanter, die uns beibringen wollen, wie man friedlich lebt, aber nehmen wir frecherweise einfach mal an, das sei erfunden...)

Ja, wir dürfen und müssen hassen, genauso, wie wir lieben. Es ist in uns und wer den Schrank nie aufgemacht hat, der wird vom kleinsten Bogeyman überrumpelt werden, wenn er es dann doch mal tut.