Tragikomik. Was für ein Wort.

Kann etwas tragisch und komisch zugleich sein? Wir erleben das gerade zu Hause. Mein Nachwuchs, besonders mein Sohn, macht zur Zeit einiges durch. Man merkt ihm an, wie unsicher er ist, wie schwer es ihm fällt, seine Rolle in der Gesellschaft zu finden. Er möchte eigentlich lieb und brav sein, aber sein Körper läßt das nicht zu. Jeden Tag bemerkt er, wie seine Kräfte wachsen und die Hormone sind neu für ihn. Eigentlich möchte er kuscheln, muss aber kämpfen.

Zu meiner leisen Schande bemerke ich wiederum, dass ich damit nicht wirklich gut umgehen kann. Wie war das doch schön mit den Babies ...
Die haben einen bewundert, egal was war. Heute weiss ich, dass das nur einfach schien, weil man nichts falsch machen konnte. Doch jetzt, da die Kinder nach Erziehung lechzen, damit wir ihnen helfen, sich möglichst unbeschadet in dieser Gesellschaft zurecht zu finden, da versagen meine alten Mechanismen, öfter als mir lieb ist.

Ich hatte mir bei der Geburt vorgenommen, der beste Vater der Welt zu sein und mit Liebe, Ehrlichkeit, Konsequenz und Gewaltfreiheit zu erziehen.

Die Kinder sollten ein Vorbild haben, das sie ernst nimmt und genügend Zeit aufbringt zum Reden und Spielen. So weit die Theorie.

Hier nun Beispiele aus dem Alltagstauglichkeitstest meiner Maxime:

Liebe:

"Ihr seid böse Eltern! Nein, nicht liebhaben! Ihr seid blöd!"

Ehrlichkeit:

"Papa, werde ich sterben?"

Konsequenz:

"Nein, ich will aber nicht!"

Was direkt zur Gewaltfreiheit führt:

"Ihr könnt mich nicht bestrafen! Ist mir doch egal! Ich darf eh nie fernsehen oder computerspielen."

Das Vorbild, das ich ihnen gebe, passt eigentlich in eine andere Zeit. Heutzutage braucht es ehrgeizige, skrupellose Anpasser und keine ehrenhaften, tragischen Helden, um erfolgreich zu sein:

"Wieso sind wir eigentlich arm? Ihr geht doch arbeiten."

Wenn ich sie ernst nehme, und mich auf einer Stufe mit ihnen unterhalte, dann verlieren sie den Respekt gegenüber der Autoritätsperson:

"Jaja, das sagst Du immer, bla bla..."

Und dass ich mit ihnen spiele wurde mir unlängst auch untersagt, weil ich damit angeblich (leuchtet mir auch ein wenig ein) verhindere, dass sie sich gleichaltrige Freunde zum Spielen suchen.

Natürlich rede ich mit meiner Frau laufend darüber und was wir uns fragten war, wieso das so gut in vielen muslimischen Familien klappt. Die Kinder haben einen Heidenrespekt (sic!) gegenüber den Eltern und das auch ohne Prügelstrafe oder andere drastische Mittel. Und sie lieben ihre Eltern auch nicht weniger, als bei uns. Leider reden unsere türkischen Bekannten nicht über so etwas, wie sie ja ohnehin grundlos immer sehr scheu und ängstlich wirken gegenüber "echten" Deutschen, dehsalb kommen wir da kommunikativ nicht weiter. Ich würde meine Kinder irgendwann gerne mal in eine muslimische Tauschfamilie stecken. Ich denke, die Erfahrung, interkulturell und interreligiös, täte einem Kind gut.

Jetzt klingt das so, als würden wir gerade eine harte Zeit durchmachen, das stimmt aber nicht. Meistens sind die kleinen Schätze immer noch schnuffig und lieb, aber es ist dieser Konflikt, der in ihrem Inneren brennt, den ich zur Zeit nicht lösen kann und helfen lassen sie sich nur wenig. Irgendwie tun sie mir leid, dass sie nicht nur von einer Sinnkrise in die nächste stolpern sondern sich obendrein von uns anschreien lassen müssen.

Ich erkenne mich oft wieder und das ist der tragikomische Teil, denn es zwingt ein Lächeln in mein Gesicht, wenn ich darüber nachdenke, wie meine Gefühle zu dieser Zeit waren und wie ich gelitten habe. Als Kind weiss man eben nicht, dass das vorbei geht, bzw. durch anderen Kummer überlagert wird. Es ist wie beim Bergsteigen: Man sieht den Gipfel, doch kaum hat man ihn erreicht, erkennt man dahinter den nächsten und aus dem vermeintlichen Ziel wird eine Etappe.

Manchmal kann so ein Erlebnis aber sehr unterhaltsam sein. Meine Tochter weigerte sich gestern, eine Order von uns auszuführen und wir forderten sie deshalb auf, nicht so herumzuzicken. Sie räkelte sich dann auf dem Boden rum und summte ein Liedchen vor sich hin, dessen Text ungefähr so ging:

"Ich bin zickig, zickig, lalala. Ich will zickig sein, zickig sein, lalala. Zicke, Zicke, Zicke, Zickeeee ..."

Als wir schon vergessen hatten, worum es ging und uns alle längst etwas anderem zugewendet hatten, da hört die kleine Dame auf einmal mit ihrem Lied auf und fragt: "Papa, was ist zickig?"