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- Veröffentlicht: 19. Januar 2010
Es ist ein Klischee, dass der Tod immer eine Sense in der Hand hat. Gerade eben hält er zum Beispiel eine Leiter fest. Zu meiner stetig wachsenden Besorgnis scheint er nicht allzu konzentriert bei der Sache zu sein:
TOD: „Bist Du stolz auf Dein Land?“
Ich: „Wie kommst Du denn gerade jetzt darauf?“
TOD: „Ich habe mir vor Deinem Besuch mal alle eure Kabarettisten angesehen und die…“
Ich: „Wie, alle?!“
Er sieht mich an mit dem mühsam erlernten, abschätzigen Blick, den ich ihm beigebracht hatte.
TOD: „Zeit ist für mich nicht wichtig.“
Ich: „Ich vergaß. Beneidenswert.“
TOD: „Die sind alle derselben Meinung. Nämlich, dass eure Politiker ein Haufen unfähiger Intriganten und Raffzähne sind. Kein einziger eurer Herrscher kommt gut weg.“
Ich: „Nun, das ist ja klar. Im Kabarett wird nur über die Missstände gesprochen. Das Gegenstück dazu ist ein Parteitag. Da wird nur über angeblich Gutes gesprochen.“
TOD: „Und ich verstehe nicht, wieso die Menschen lachen an manchen Stellen. Was soll daran lustig sein, dass 70000 Frauen jedes Jahr sterben, weil der Vatikan die Abtreibung verbietet und der würde ja auch nicht bombardiert?“
TOD: „Aber die anderen lachen.“
Ich: „Tragik ist Komik in Spiegelschrift.“
TOD: „Ist es nicht.“
Ich: „Nur so eine … ach vergiss es.“
Ich sehe zu ihm hinunter und rufe:
Ich: „HE, bloß weil Du weißt, wann ich sterbe, ist es trotzdem nicht lustig an der Leiter zu wackeln. Ich habe Höhenangst! Und immerhin versuche ich, Dir zu helfen!“
TOD: „Entschuldigung.“
Ich: „Wo soll der Ball jetzt sein?“
TOD: „Links neben dem Ast.“
Ich: „Ach ja.“
Mit einem Stock stupse ich den Fußball so lang an, bis er frei ist und vom Dach nach unten rollt. Dann klettere ich wieder nach unten.
TOD: „Danke, ich kann in diesem Kleid einfach nicht klettern.“
Ich: „Und das war wirklich die Katze?“
TOD: „A-hm.“
Ich: „Könntest Du dann bitte Deiner ‚Katze’ verbieten, diesen großen schweren Lederball auf das Dach eines zweistöckigen Hauses zu kicken, wenn sein Herrchen Angst vor Leitern hat?“
TOD: „Gute Idee. Noch Zeit für einen Drink?“
Ich: „Nein, ich muss gleich wieder zur Arbeit. In der Welt da draußen zählt die Zeit nämlich.“
TOD: „Ich habe eigentlich auch noch einiges zu tun.“
Ich: „Ach ja, warum bist Du eigentlich nicht in Haiti?“
TOD: „Bin ich doch.“
Ich: „Ich werde das nie verstehen.“
TOD: „Was? Das Verhältnis zwischen mir und der Zeit?“
Ich: „Ja, das auch. Aber ich meine, wieso es so lange gedauert hat, bis dort Hilfe vor Ort war. Wir schaffen es zwar einerseits, innerhalb von zwei Stunden eine gepanzerte Limousine am Fallschirm mit dem Flugzeug über Kabul abzuwerfen um irgendeinen Drogenbaron zu retten, aber die Suchhundestaffel braucht eine ganze geschlagene Woche bis sie schüchtern in Port-au-Prince steht und fragt, wo sie denn jetzt anfangen soll, zu suchen.“
Jetzt bekomme ich doch Lust auf einen Drink. Aber wozu... Betrunken regt mich das nur noch mehr auf.
Er steht da und wartet. Er kennt mich schon zu gut.
TOD: „Vorschläge?“
Ich: „Na klar! Ich träume von einem Deutschland, das seine überlegene Technologie verwendet, um der Welt zu helfen. Es muss doch möglich sein, eine Einsatzgruppe bereit zu halten, der es gelingt, innerhalb maximal eines Tages überall auf der Welt einzutreffen. Ich träume von einer Welt in der die Deutschlandflagge bekannter ist als das Cola-Logo und wo die Menschen, die von einer Katastrophe getroffen wurden, den Himmel beobachten, weil sie genau wissen, dass sich bald die Sonne verdunkeln wird von der geballten deutschen Fliegerstaffel und in allen Sprachen steht ‚Die Deutschen sind da!‘ für einen Ausruf der Hoffnung und der Erleichterung, weil sie wissen, dass sich jetzt jemand um sie kümmern wird.
Und dann werden 100.000 Ersthelfer mit Hubschraubern, Landungsbooten und Fallschirmen unter anderem Wasser, Nahrungsmittel, Medikamente, Zelte, Maschinen und was man halt so alles braucht, mit deutscher Präzision einsetzen. Und während die internationale Hilfe noch überlegt, wieviel Geld sie in Werbung für peinliche Spendenaufrufe investieren möchte, haben wir schon die Lage stabilisiert.
Dann wäre zum ersten Mal in der Geschichte der Moment gekommen, dass wir zurecht sagen könnten: Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein! Ich bin stolz auf dieses Land!“
TOD: „Hmm.“
Ich: „Meine erste Aktion als Herrscher wäre es, unser teures und total unnützes Militär zu entwaffnen, mit dem THW zu vereinen und zur weltweit geachtetsten Einsatztruppe zu machen. Es würde nicht mehr kosten, eher weniger, weil wir nicht nur unnütze Schrottkandidaten wie Panzer und Kampfflugzeuge einkaufen müssten, sondern nachhaltig Sinnvolles, das auch eingesetzt wird, wie Pumpen, Wasseraufbereitungsanlagen, Transportflugzeuge und so weiter. Die Welt würde uns dafür achten und selbst die NATO hätte wohl kaum etwas dagegen.“
TOD: „Möglich.“
Ich: „Aber was machen unsere Politik spielenden Flachpfeifen?“
TOD: „Pfeifen?“
Ich: „Wenn dem nur so wäre… Sie ignorieren die Bedürfnisse und das Wohl aller und spielen Monopoly mit unserer Zukunft und echtem Geld.“
TOD: „Aber mit dem Unterschied, dass sie nicht würfeln, sondern bei jedem Zug über Los gehen, das Geld kassieren und dann irgendein Feld aussuchen, um hinzuziehen?“
Ich: „Ich sehe, Du machst Fortschritte, was Gleichnisse betrifft.“
TOD: „Und ich dachte, das war Ironie.“
Ich: „Nein, Ironie wirst Du nie verstehen. Das macht Dich so sympathisch.“
TOD: „Und nun?“
Ich: „Ich werde tun, was ich jeden Tag tue.“
TOD: „Schlafen?“
Ich: „Ich werde versuchen, die Weltherrschaft an mich zu reißen.“