Seit vielen Jahren hatte ich den Freimaurern in unserer Stadt schon Mails geschrieben, dass ich gerne einmal vorbeikommen würde, um mir diese mysteriöse Gesellschaft einmal anzusehen.

Mich interessierte, was denn wirklich daran ist und ob ich dazu passe.
Ich liebe Rituale und Geheimnisse, Männerfreundschaften finde ich erstrebenswert
Ebenso reizte mich eine intellektuelle Herausforderung, weil der Alltag nur noch milden Schwachsinn bereit hält, damit auch der dümmste Staatsbürger versteht, wo er sein Geld lassen darf.

Irgendwann erhielt ich plötzlich und unerwartet eine Einladung zu einem Herrenabend. Ich war entzückt. Endlich wurde ich von der hohen Gesellschaft ernst genommen ... so dachte ich mir.
Meine Frau gab mir frei, ich wusch mich gründlich und quetschte mich in den edelsten Zwirn im Schrank.

Die Loge war nicht schwer zu finden, dank dem großen Schild an einer sonst unscheinbaren Hauswand eines mehrstöckigen Wohnhauses.

Ich gebe zu, dass ich etwas nervös war und auch viel zu früh vor Ort. Generell mag ich es nicht, zu spät zu sein, das ist unhöflich, meistens.
(Außer auf Partys, da soll man ja später erscheinen.)

In der Vorhalle zum Gesellschaftsraum war eine Sitzgruppe, wo schon mehrere alte Männer saßen und rauchten. Freundlich begrüßten sie mich und gaben mir einzeln die Hand. Mir wurde die Küche vorgeführt, ein Bier in die Hand gedrückt und das Gästebuch gezeigt, in das ich mich eintragen sollte.
Tatsächlich kam ich auch gut ins Gespräch. Ob es Absicht war, weiß ich nicht, aber ich hatte von Anfang an einen Mentor (man könnte auch Aufpasser sagen), der mir alle Fragen beantwortete. Das war sehr angenehm.

Das Thema des Abends war "Harry Potter und der Stein der Weisen". Die Halle füllte sich nach und nach, ich wurde gegrüßt und beachtet, was mir ein gutes Gefühl gab.
Der Vortrag selber war schlecht recherchiert und zog falsche Schlüsse, es war ein wenig zu esoterisch und der Autor hatte das Buch nur quer gelesen. Das gab mir Gelegenheit, mich mehrmals zu melden und meinen Senf dazu zu geben.
Die Rededisziplin war gegeben, denn der Superior (Meister des Steins) führte eine Redeliste. Das machte es zwar sehr schwer, auf Beiträge direkt zu antworten, was wünschenswert wäre, aber wenigstens lief es geordnet ab.

Danach gab es Brühwurst mit Senf und Brötchen für alle und so viel Alkohol, wie man will.

Da habe ich schon viel schlimmere Abende erlebt.

Mit meinem guten Gefühl und der festen Absicht, wiederzukommen, ging ich nach Hause (nicht ohne jeden einzelnen mit Handschlag verabschieden zu müssen).

das war's?
So könnte die Geschichte enden.
tut sie aber nicht?
Tut sie aber nicht.
warum kann bei dir nicht einmal etwas einfach sein?
Pscht, hör zu.

Noch mehrere Male war ich vor Ort und fühlte mich an und für sich gut aufgehoben. Wir hatten noch zB Assassinen und die Geschichte der Schrift zum Thema. Das war gut gemeint, aber nicht gut vorgetragen. Auch die Gespräche danach ließen, meiner Meinung nach, Bildung und intellektuellen Tiefgang vermissen. Das klingt arrogant, aber so oft, wie ich "weiß ich nicht" bzw. "woher weißt Du das denn?" gehört habe, das war nicht, was ich mir vorgestellt hatte. Ich bin jetzt auch nicht wahnsinnig gebildet, aber so manche einfachen Sachen in Geschichte, Literatur und Wissenschaft kriegt man doch mit.

Meinen letzten Abend verbrachte ich dort bei einem besonderen Ereignis. Ein relativ neues Mitglied sollte den Anwärtern erzählen, wobei es in der Freimaurerei geht.
Es waren aber gar keine Interessierte oder Anwärter da. Nur ich saß da rum. Es wurde also zu einem Dialog.

Zuerst fragte man mich, was mich interessiere. Ich überlegte und gab dann meine (zugegebenerweise vorbereitete) Antwort:
"Ich suche intellektuelle Ansprache in angenehmem Umfeld und interessiere mich für ein gemeinsam gepflegtes Geheimnis."
Das hielt ich für eine Bombenantwort.

Dann aber wurde ich ziemlich energisch darauf hingewiesen, dass es kein Geheimnis gäbe, nur ein paar Interna, die könne man auch jederzeit im Internet finden. Alle lachten.

In der Folge erfuhr ich eine Stunde lang etwas über die Rechte und Pflichten, danach tranken wir und aßen Brühwurst.

Später zu Hause machte ich mir eine Liste und dachte lange nach. Letztendlich fand ich fünf große und fünf kleine Gründe, wieso die Freimaurerei nichts für mich ist.
Jedem, der sich dafür interessiert, kann ich diese Punkte ans Herz legen und wenn derjenige damit klar kommt, dann ist das bestimmt eine großartige Vereinigung für ihn.

5 größere Gründe, wieso ich nicht Freimaurer wurde:

  • Es wird vorausgesetzt, dass alle Freimaurer dieser Welt Brüder sind. >> Es gibt aber Menschen, die ich nicht mag. Überall, auch in den Logen. Mich mag auch nicht jeder, die kann ich doch nicht zwingen?
  • Bis zum Lebensende wird erwartet, dass Geld gezahlt wird, also Beitrag, Spenden, Baukosten für neue Loge, etc. >> Ich will mich aber nicht so vage und unvorhersehbar binden. Und was wenn ich nicht zahlen kann oder will? Fliege ich dann raus?
  • Die Mitgliedschaft gilt lebenslang, jedenfalls offiziell. Die moralische Verbundenheit steht im Raum, wie bei den Hell's Angels >> Das ist mir zu lang. Verheiratet bin ich schon auf unabsehbare Zeit. Das reicht erst mal.
  • Alle Logen leiden an totaler Überalterung. >> Ich hatte kaum gute Gespräche mit den paar jungen Besuchern, das waren alle reiche Schnöselkinder, die sich Vorteile versprechen und die Alten sind meistens nur unter sich.
  • Es gibt eine Pflicht zur Anwesenheit, ich wurde aufgefordert, mir ab jetzt jeden Herrenabend frei zu halten, oder mich begründet zu entschuldigen. >> Nee, sicher nicht.

5 kleinere Gründe, wieso ich nicht Freimaurer wurde:

  • Das ständige Gerauche in der Vorhalle geht einem irgendwann auf den Zeiger. Wie früher stinkt man und muss den Qualm einatmen. >> Mag ich nicht.
  • In internen Events (habe ich im Internet gesehen, dazu wurde ich ja aufgefordert) tragen die teilnehmenden Freimaurer eine Art Schürze, die den Steinmetz repräsentieren soll. >> Das sieht total albern aus. :)
  • Die Gespräche sind bei weitem leider nicht so tiefgehend und auf stabilen Füßen stehend, wie man sich das so vorstellt. >> Da hatte ich mehr erwartet. Smalltalk kann ich auch in der Kneipe.
  • Der "geheime Handschlag" besteht aus einem Küsschen mit Hand geben. >> ...
  • Beim Kommen und dann beim Gehen alle mit Handschlag zu grüßen ist total aufwändig und dauert den halben Abend >> Jeder Schützenverein und Kegelclub hat das verstanden und klopft auf den Tisch. Es kann so einfach sein.

 

So manchen Herren mochte ich gut leiden, um die tut es mir leid, aber wenn der Rahmen nicht stimmt, dann will ich nicht stören.

Ja, so war das. Jetzt hänge ich eben wieder zu Hause rum und starre an die Wand.

Wenn nur diese aufdringlichen Gedanken nicht wären, die irgendwo hin müssen ...