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- Veröffentlicht: 24. Mai 2017
Im Netz stand bei den Nachrichten, dass Stephen Hawking uns empfiehlt, so schnell wie möglich neue Planeten zum Besiedeln zu suchen, denn unserer wird in 100 Jahren kaputt sein.
Dazu lässt sich unfassbar viel sagen. Die dringendste: Warum investieren wir die Mühe und das Geld nicht, unser blaues Raumschiff erst mal zu erhalten?
Aber auch ich kenne Heiden, die sich naturreligiös nennen und auf meine Bitte, doch biologisch und nicht billigst einzukaufen, mit dem Argument kontern, dass sie dafür kein Geld haben, weil Bio und regional doch so teuer sind. Die selben Menschen haben aber Dutzende Regalmeter mit DVDs daheim, weil sie „die halt so gerne sammeln“.
Da bleibt mir jede Argumentation im Hals stecken.
Meine Tochter hat in der Schule unlängst die Gelegenheit gehabt, an einer fingierten Diskussion teilzunehmen, an der sie den Standpunkt des konventionellen Discountkäufers einnehmen sollte. Sie hat uns beim Abendessen davon erzählt und war so überzeugend, dass ich mich gezwungen sah, mich zu vergewissern, ob sie weiß, wieso BIO so wichtig ist: NICHT, weil es besser schmeckt oder gesünder ist, sondern nur, weil wir wollen, dass die Erde noch etwas länger für uns da ist. Und möglichst viele Tiere auf ihr.
Diese Kurzsichtigkeit von rücksichtslosen Menschen, die ohnehin alles haben, aber trotzdem am falschen Ende sparen ist argumentativ nicht lösbar, weil die immer sagen: Ja, aber ich habe halt kein Geld. Und dann kaufen sie Klamotten aus Sklavenarbeit und beim Discounter Gemüse aus Ägypten und das fiesest mögliche Fleisch. Wenn man ihnen in die Augen sieht, merkt man, dass sie nicht wissen, wie dumm sie handeln.
Mein Großvater hatte gesagt, dass vor 80 Jahren noch die Hälfte des Haushaltsbudgets für Essen draufging. Heute sind wir bei maximal 15%. Und finden das immer noch zu teuer. Wir kaufen raffinierte Industrieware, verpackt in Plastik und jammern dann an der Werkskantine bei einem Milchschaumlatte aus Alu-Kapseln, dass „man“ sich Sorgen um die Welt machen sollte.
Wenn ich nicht so ein rundum ruhiger Typ wäre, könnte ich mich aufregen.
Mit dem Donald haben wir jetzt jemanden an den Schalthebeln, dem die Zukunft und die Menschen total egal sind. Das ist doppelt gruselig.
So. Und damit zum Thema: Kinder.
Ich wollte darüber schreiben, dass es schwer ist, heute groß zu werden. Aber das war bevor ich Überlegungen zu diesem Artikel anlegte. Denn mir ist aufgefallen, dass es den meisten Erwachsenen nicht gelingt, groß zu SEIN. Das bekommen die nicht hin. Sie jammern, töten sich selbst oder auch andere und unsere Welt.
Unsere Göttin interessiert sie offensichtlich nicht.
Wenn wir Erwachsenen uns also schon nicht selbst verwalten können, wie erziehen wir unsere Kinder?
Ich weiß es doch auch nicht.
Zum ersten Mal verstehe ich die Motivation für das fürchterliche Motto der 70er, als die prä-Grünen-Wähler sagten: „Njaa … ich ... sag mal … Kinder … in … diese Welt? … Hmm ….“
Ich habe gerne Kinder in diese Welt gesetzt und bereue nichts. Was wäre auch die Alternative? Kein Kind ist keine Leistung und keine Perspektive.
Jetzt muss ich dem Nachwuchs aber auch zeigen, wie das Leben funktioniert. Da reicht es nicht aus, eine Runde Social Distortion vorzuspielen und dann kennen sie sich aus.
These 1: Es ist euer Planet. Wir schenken ihn euch.
These 2: Es wäre schön, wenn die Menschheit nicht qualvoll stirbt.
Synthese: Macht was!
Aber was muss man erleben? Stillgelegte Telefonzombies, die jeden Moment nutzen, um sich zu vergewissern, wie viele Menschen sie im Internet mögen und bestätigen.
In der Straßenbahn blickt man in ihre toten Augen und ist Zeuge, wie sie verzweifelt nach Bestätigung ihres Avatars lechzen.
Es gibt keinen einzigen interessanten Blickkontakt mehr.
Als hätten sie Angst alleine zu sein.
Unter lauter Menschen.
Wie also bringen wir unseren Kindern bei, inmitten dieser Bibi-Ego-Welt groß zu werden?
Meine kleine Insel der Vernunft, die meine Familie bietet, birgt diesbezüglich zahlreiche Möglichkeiten.
Unsere Kinder sind alle natürlich nicht getauft.
(Das muss man erwähnen, weil es tatsächlich nicht-christliche Eltern gibt, die ihre Kinder taufen lassen, weil sie sich davon mehr Chancen im weiteren Leben erwarten. Das ist erbärmlich...)
Als Alternative haben wir eine Lebensweihe vorgenommen, bei der wir die Paten und Familien einluden, mit uns das halbjährige Kind willkommen zu heißen.
Und viele Geschenke zu präsentieren.
Dann wurden die Kinder größer und mussten eingelebt werden, was den Umfang der Erde und die Geschichte der Welt und der Menschheit betrifft.
Sie gingen zur Schule, wurden von uns an der Hand herangeführt … wir hatten ja keine Wahl.
Aber die Lehrer waren alle ganz lieb und umgänglich. Es ist eben großartig, in einem Land wie Deutschland zu leben, in dem die Erziehung guten Gewissens abgegeben werden kann an fürsorgliche und gut ausgebildete Lehrer.
Aber die Eltern ...
Ich weigere mich, auf Elternabende zu gehen, denn die anderen Eltern sind alle wahnsinnig.
Meine Frau übernimmt den Job, ich betrinke mich derweil.
So, jetzt reicht aber der ganze Kulturpessimismus, was ich sagen wollte, war eigentlich:
Unser Sohn hat seinen letzten Milchzahn verloren. Das heißt, es wird Zeit für ihn, zum Mann zu werden. Jedenfalls, wenn wir den Regeln der archaischen Menschen glauben wollen.
Für uns Eltern ist er immer noch der kleine Junge, der jetzt zwar im Gymnasium seinen Erfolg sucht und jede Menge AGs absolviert, aber dennoch …
Wir Hexen suchen für diesen Anlass natürlich nach dem passenden Ritual. Gibt es eines bei Gardner oder so? Ich weiß es nicht. Sonst jemand mit einer Idee? Nicht? Nun denn, dann machen wir es halt selbst.
„Halte Du seine Vorhaut“
„Ich hab doch schon die Axt“
„Okay, dann hack mir aber keinen Finger ab.“
Nah, ich mach nur Spaß. Wir planen das so, dass der heidnisch versierte Pate den Jungen von zwölf Jahren über Nacht in den Wald mitnimmt und mit ihm ein paar Worte wechselt.
Wenn die beiden dann im Morgengrauen wiederkehren, gibt es ein großes Frühstück und wir versuchen ihm das Gefühl zu geben, dass etwas entscheidendes passiert ist. Eben dass er eine Schwelle überschritten hat.
Und dass er ab jetzt auch ein Stück der Verantwortung für unseren Planeten tragen darf.